Dezember 2024

Vom antiken Wehrgraben im Kinosaal zum Heimatstil im Barockschloss

  • 06.12.2024

Jeweils im Dezember veröffentlicht das Amt für Denkmalpflege und Archäologie sein Jahrbuch in der Reihe «Archäologie und Denkmalpflege im Kanton Solothurn». Nun liegt das 29. Heft druckfrisch vor – informativ geschrieben, reich bebildert und grosszügig gestaltet.

Im Kino Lichtspiele nördlich der Oltner Altstadt wurden 100 Jahre lang Geschichten auf Film vorgeführt – beim Umbau des Hauses wurde der Untergrund im Dezember 2023 selbst zur Geschichte: Im ehemaligen Kinosaal stiess die Kantonsarchäologie auf den Wehrgraben der spätantiken Befestigung. Die Befestigung mit Mauer und Graben machte die römische Kleinstadt von Olten um 330 n. Chr. zu einem sogenannten Castrum. Die mittelalterliche Altstadt geht auf dieses Castrum zurück: Der Mauerring des 13. Jahrhunderts wurde auf die spätrömische Ringmauer aufgesetzt. Im Mittelalter rückte der Stadtgraben näher an die Stadtmauer heran. Er stand bis ins 19. Jahrhundert offen und wurde ab 1837 aufgefüllt. Aus dem ehemaligen Graben wurde eine Gasse, die nordwestlich ausserhalb der Altstadt noch immer «Graben» heisst.

Ein Dachbodenfund mit römischen Wandmalereien aus Lohn

Die farbigen Wandmalereifragmente aus der Römervilla an der Sonnenbergstrasse in Lohn-Ammannsegg ruhten über 40 Jahre in einer Privatsammlung. Anfang dieses Jahres wurden sie bei einer Hausräumung wiederentdeckt. Weitere Puzzleteile derselben leuchtend blauen Malerei fanden sich in der Kantonsarchäologie im Fundmaterial einer Ausgrabung von 1980 an der Sonnenbergstrasse 3. Beim Bau eines Einfamilienhauses wurde damals das Herrschaftshaus eines römischen Gutshofes angeschnitten. Die Wandmalereien geben nun einen genaueren Eindruck von der prächtigen Innenausstattung der Römervilla um das Jahr 100 n. Chr.

Dörfer der Jungsteinzeit in Lostorf – seltene Ofenkachel aus der Aare

Mit über 10’000 Fundstücken liefert die Siedlungstelle auf dem Buerfeld bei Lostorf die kantonsweit bislang umfangreichste Sammlung an jungsteinzeitlichen Werkzeugen, Geräten und Produktionsabfällen aus Feuerstein und Felsgestein. Die Objekte zeigen, dass zwischen 4500 und 1600 v. Chr. immer wieder ein Dorf auf diesem Geländerücken stand. Zu verdanken ist diese Sammlung dem in Olten aufgewachsenen Arzt Dr. med. Martin Fey (1931–2020). Er sammelte in der Region Olten in seiner Freizeit über 80’000 von Menschenhand bearbeitete Feuersteine und andere archäologische Objekte ein und entdeckte dabei über 50 neue Fundstellen. Seine Forschungen zeigen auf, wie dicht die Region bereits in der Jungsteinzeit besiedelt war.

Aus der Aare bei Solothurn stammt eine bunt bemalte Ofenkachel mit der Darstellung eines Heiligen oder Apostels. Aufgrund des kostbaren Gewandes und der Inschrift «D H A P» ist vermutlich «Der Heilige Apostel Philippus» abgebildet. Die Kachel gehörte ursprünglich zu einem repräsentativen Ofen mit rundem Turm aus der Zeit nach 1550.

Grundlagenforschung in der Denkmalpflege

Im Vorwort zum Heft thematisiert der kantonale Denkmalpfleger Wert und Nutzen von Bauinventaren. Drei Beiträge im zweiten Teil der Jahresschrift entstanden aufgrund von Dokumentationen und Quellenrecherchen. Dank eingehendem Studium von historischen Planbeständen und Schriftquellen rekonstruiert die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Denkmalpflege die spannende Baugeschichte des christkatholischen Pfarrhauses in Olten. Ein Artikel der Bauforschung deckt sodann die Träume einstiger Bauherren auf: Das Gresslyhaus in der Solothurner Vorstadt, das eigentlich ein typisches solothurnisches Türmlihaus hätte werden sollen, steht heute als vornehmes Stadtpalais am Kreuzackerquai. Schliesslich lässt der Bauforscher sieben abgerissene Villen wiedererstehen. In Wort und Bild führt er drastisch vor Augen, welche baukulturellen Werte hier verloren gingen, ohne dass etwas Qualitätvolleres gefolgt wäre.

Viermal praktische Denkmalpflegearbeit

Vier weitere Beiträge zeigen das breite Spektrum der praktischen Denkmalpflege auf – vom Gewerbebau über Kirche und Schloss bis zum Stadttor.

Bei der Hammerschmiede in Beinwil greifen die Zahnräder wie eh und je ineinander. Sie übertragen die Energie der beiden Wasserräder, die anlässlich der jüngsten Restaurierung ersetzt wurden. Der Bericht erklärt nicht nur die Anlage selber, sondern auch die Art und Weise ihrer Restaurierung.

Bei der Pfarrkirche St. Nikolaus in Hofstetten-Flüh löste ein Brandanschlag eine umfangreiche Renovation aus. Nach diesen Arbeiten wartet der Kirchenraum nun mit einer harmonischen Einheit von starken neuen Ausstattungselementen und künstlerischen Objekten aus früheren Ausstattungsphasen auf.

Das Schloss Wartenfels in Lostorf erscheint von aussen als eines der typischen barocken Anwesen des Kantons. Der Beitrag zur Restaurierung von 2017 bis 2023 korrigiert diesen Eindruck: Als der Basler Unternehmer Georg Meidinger das vernachlässigte Schloss 1918 übernahm, gestaltete er das Interieur und den Schlossgarten im Stil der damaligen Zeit um und schuf damit ein Manifest des Heimatstils.

Schliesslich schaut der Denkmalpfleger dem Solothurner Baseltor buchstäblich auf die Fugen. Denn im Fokus der jüngsten Restaurierung stand das Mauerwerk mit dem markanten Fugenbild. Dessen Bedeutung als Gestaltungselement rückt damit in ein neues Licht.

Auch in den zwölf Kurzbeiträgen der Denkmalpflege spiegelt sich die Vielfalt von Massnahmen und Kulturobjekten im Kanton. Das Jahrbuch schliesst mit dem Tätigkeitsbericht der Denkmalpflege über das Jahr 2023.

 

Bibliografische Angaben:

«Archäologie und Denkmalpflege im Kanton Solothurn 29, 2024»
herausgegeben vom Amt für Denkmalpflege und Archäologie
ISBN 978-3-9525441-2-9 / ISSN 1422-5050
Umfang 136 Seiten, broschiert, Preis CHF 20.–

Zu beziehen per sofort im Buchhandel oder beim Amt für Denkmalpflege und Archäologie, Werkhofstrasse 55, 4509 Solothurn, ebenso online unter so.ch/adso