Haftung der Gemeinde für Schaden

Gemäss § 2 Abs. 1 Verantwortlichkeitsgesetz (VG) hat das Gemeinwesen für den Schaden, den ein Beamter in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich mit oder ohne Verschulden zufügt, einzustehen.

1. Fristen

Das Verantwortlichkeitsgesetz sieht für die Geltendmachung von Schadenersatzbegehren folgendes Verfahren vor: Schadenersatzbegehren gegen die Gemeinde müssen innert eines Jahres seit Kenntnis des Schadens, spätestens aber nach 10 Jahren seit dem Tage der schädigenden Handlung beim Gemeindepräsidium eingereicht werden (§ 11 Abs. 1 VG). Es handelt sich dabei um Verjährungsfristen, wobei Art. 60 OR als ergänzendes Recht anzuwenden ist (§ 6 VG). Durch die Einreichung des Begehrens wird die Verjährungsfrist unterbrochen und beginnt damit neu zu laufen (§ 11 Abs. 3 VG). Wird zum Anspruch innert drei Monaten seit seiner Geltendmachung nicht oder ablehnend Stellung genommen, so kann beim Verwaltungsgericht Klage erhoben werden (§ 11 Abs. 2 VG). Eine ausdrückliche Frist für die Klageerhebung nennt das Verantwortlichkeitsgesetz nicht mehr. Der Geschädigte hat dafür besorgt zu sein, dass seine Forderung nicht verjährt bzw. die Verjährung rechtzeitig unterbrochen wird (durch Klage oder Betreibung). Das Gemeinwesen kann solche Schritte durch Abgabe eines Verjährungseinredeverzichts vermeiden, was sinnvoll erscheint, wenn z.B. für Vergleichsverhandlungen mehr Zeit benötigt wird.

2. Voraussetzungen

2.1. Kaushalhaftung
Verursacht ein öffentlich-rechtlicher Angestellter oder ein Behördemitglied (nachfolgend Beamter genannt) einen Schaden, ist die Kaushalhaftung nachzuweisen. Diese sogenannte Kausalhaftung ist nach Lehre und Praxis dann gegeben, wenn der Geschädigte beweist, dass ein Schaden entstanden, die schädigende Handlung des Beamten seiner Amtstätigkeit zuzurechnen, und adäquate Ursache des Schadens bildet (Kausalzusammenhang) und die Schädigung widerrechtlich ist. Zudem darf kein Selbstverschulden der Geschädigten vorliegen, welches den Kausalzusammenhang unterbricht.

2.2. Widerrechtlichkeit im besonderen
Wann ist das schädigende Verhalten widerrechtlich, wenn es mit oder aus Unterlassen einer Verwaltungsverfügung entstanden ist?

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts ist ein schädigendes Verhalten im Bereich der Staatshaftung dann rechtswidrig, wenn die amtliche Tätigkeit des Beamten gegen geschriebene Gebote und Verbote der Rechtsordnung verstösst, die dem Schutz des verletzten Rechtsgutes dienen (SOG 1994 Nr. 44, S. 135). Dabei führt nicht jede Widerrechtlichkeit zur Schadenersatzpflicht des Gemeinwesens, besonders dann nicht, wenn behauptet wird, Verwaltungsverfügungen hätten zur Schädigung geführt. Eine wesentliche Amtspflichtverletzung ist Voraussetzung für das Vorliegen einer Staatshaftung für Schäden infolge eines Rechtsaktes, der sich später als unrichtig erweist (BGE 120 I b 248). Verfügungen der Gemeinde, die von der Beschwerdeinstanz aufgehoben wurden, haben deshalb nicht unbesehen als widerrechtlich zu gelten. Damit eine Verfügung als widerrechtlich im Sinne der Haftpflichtbestimmungen bezeichnet werden kann, muss eine schwere Gesetzesverletzung gegeben sein, beispielsweise durch klare Ermessensüberschreitung, durch Missbrauch des Ermessens, durch die Verletzung einer klaren Gesetzesvorschrift oder eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes oder bei böswilligem Handeln (BGE 107 I b 166).

2.3. weitere Voraussetzungen
Wird eine qualifiziert rechtswidrige Handlung des Gemeinwesens bejaht, sind anschliessend die weiteren Elemente zu prüfen, insbesondere der Kausalzusammenhang zwischen der als qualifiziert rechtswidrig bezeichneten Handlung und einem möglichen Schaden. Erst wenn der geltend gemachte und beweismässig erhärtete Schaden auf die qualifiziert rechtswidrige Handlung zurückgeführt werden kann, ist die Schadenersatzpflicht des Gemeinwesens gegeben. Hingegen ist ein Verschulden des Beamten oder der Behörde nicht Haftungsvoraussetzung.

3. Konkreter Fall als Beispiel

In einem Entscheid aus dem Jahre 1999 hatte das Verwaltungsgericht die Schadenersatzforderung einer Immobiliengesellschaft gegen eine solothurnische Gemeinde zu beurteilen. Die Immobiliengesellschaft hatte für die gleiche Landfläche drei Mal ein Baugesuch eingereicht. Diese Baugesuche wurden von der Gemeinde jeweils abgewiesen. Bezüglich des letzten Baugesuchs hob das Baudepartement in der Folge den Entscheid der Gemeinde auf und wies diese Gemeinde an, die Baubewilligung zu erteilen. Die Immobiliengesellschaft machte allerdings in der Folge von der erteilten Baubewilligung keinen Gebrauch. Sie erhob Schadenersatzansprüche gegenüber der Gemeinde und warf dieser bzw. der Baubehörde vor, sie habe widerrechtlich gehandelt, in dem sie mit gesetzwidrigen Mitteln planmässig versucht habe, das Bauvorhaben zu torpedieren, wodurch ihr dadurch Schaden verursacht worden sei.

Das Verwaltungsgericht hat das Schadenersatzbegehren abgewiesen. Es hat festgestellt, dass die Gemeinde bei keinem der drei Baueingaben qualifiziert widerrechtlich gehandelt habe. Bei der ersten abgelehnten Baueingabe sei eine Beschwerde an das Baudepartement abgewiesen worden. Beim zweiten Baugesuch habe die Bauherrschaft auf einen Weiterzug der Bauverweigerung verzichtet. Beim dritten Baugesuch sei zwar der Entscheid der Gemeinde durch das Baudepartement aufgehoben worden. Eine qualifizierte Rechtswidrigkeit liege jedoch nicht vor. Die Baueingabe sei mit Mängeln behaftet gewesen. Das Verwaltungsgericht hält weiter fest, selbst wenn die Gemeinde im dritten Baubewilligungsverfahren qualifiziert rechtswidrig gehandelt hätte, müsste die Klage wegen fehlendem adäquatem Kausalzusammenhang abgewiesen werden, da die Bauherrschaft von der Bewilligung keinen Gebrauch machte und diese verfallen liess. Der adäquate Kausalzusammenhang zwischen der Verfügung der Baubehörde und einem möglichen Schaden sei durch das Verhalten der Klägerin unterbrochen worden.

4. Schlussfolgerung

Festzuhalten ist, dass nicht jeder Entscheid von Gemeindebehörden, welcher sich im nachhinein als falsch erweist, bei einem daraus resultierenden Schaden zu einer Haftung der Gemeinde führt. Es müssen dazu eine Reihe von weiteren Voraussetzungen erfüllt sein. Gerade im Bereich der Gemeinden, wo häufig nebenamtliche Behördenmitglieder weitgehend ehrenamtliche Arbeit verrichten, würde die Haftung für jeden falschen Entscheid zu unhaltbaren Verhältnissen führen.

Allerdings versteht es sich von selbst, dass die Gemeinden andererseits die Pflicht haben, durch geeignete Massnahmen wie Ausbildung der Behördenmitglieder, effiziente Organisation, Beizug von fachlichen Beratern usw., möglichst Fehlentscheidungen, welche allenfalls zu Entschädigungsansprüchen führen könnten, zu vermeiden.

gekürzte und aktualisierte Fassung nach Samuel Gruner, Partner Advokatur PSP Platzer Strausak und Partner, Solothurn und Langenthal; PSP Bulletin 1/2001