KR-Newsletter 01/2024 - 29.01.2024
Instrument Standesinitiative
In der ersten Sitzung des Kantonsrats ist die Standesinitiative «Keine kantonsübergreifenden Vorhaben ohne Mitsprache» traktandiert. Eine Standesinitiative ist ein Vorschlagsrecht eines Kantons an die Bundesversammlung. In diesem Artikel werden wir uns mit dem Instrument der Standesinitiative vertieft beschäftigen.
Entstehung einer Standesinitiative
Gemäss Artikel 160 Absatz 1 der Bundesverfassung steht jedem Kanton das Recht zu, der Bundesversammlung eine Initiative zu unterbreiten. Jeder Kanton bestimmt selbst, welches Organ für die Ausübung des Initiativerechts zuständig ist. Im Kanton Solothurn kann der Anstoss zu einer Standesinitiative entweder von den Stimmberechtigten oder vom Kantonsrat ausgehen. Der Kantonsrat kann die Einleitung einer Standesinitiative mittels eines Auftrags veranlassen. Im Beispiel der traktandierten Standesinitiative ist dies so geschehen. Am 29. März 2023 hat ein fraktionsübergreifendes Gremium einen dringlichen Auftrag eingereicht, mit dem Ziel, eine Standesinitiative zur Mitsprache der Kantone bei kantonsübergreifende Vorhaben zu erstellen. Der Regierungsrat hat dem Vorstoss genau wie die vorberatende Kommission mit Antrag auf einen angepassten Wortlaut zugestimmt. Der Kantonsrat hat den Auftrag schlussendlich am 17. Mai 2023 für erheblich erklärt. Mit der Erheblicherklärung eines Auftrags beauftragt der Kantonsrat den Regierungsrat, eine Vorlage für eine Standesinitiative auszuarbeiten. Nachdem der Regierungsrat Botschaft und Entwurf zur Standesinitiative erarbeitet hat, berät zunächst die zuständige Sachkommission und danach der Kantonsrat über die Einreichung der Standesinitiative beim Bund. Bei einer Zustimmung des Kantonsrats wird die Standesinitiative dem Bund zur weiteren Beratung übermittelt.
Das Volk hat zwei Möglichkeiten eine Standesinitiative anzumelden. Einerseits kann es einen Volksauftrag einreichen. Das weitere Vorgehen ist analog zu einem Auftrag des Parlaments. Seit 1991 ist dies zweimal vorgekommen (2020: Volksauftrag Standesinitiative «Cannabis-Legalisierung» und 1992: Standesinitiative zur Erhöhung der Unterschriftenzahl für das eidg. Gesetzesreferendum und die eidg. Volksinitiative).
Daneben können die Stimmberechtigten mittels einer Volksinitiative direkt die Einreichung einer Standesinitiative verlangen. Hierfür sind entweder 3'000 Unterschriften durch Stimmberechtigte oder die Unterstützung durch zehn Einwohnergemeinden notwendig. Da seit 1991 keine Volksinitiative mit dem Ziel einer Standesinitiative eingereicht worden. ist, wird hier nicht weiter auf diesen Weg eingegangen.
Informationen zu den Standesinitiativen im Kanton Solothurn (1991-2023) | Anzahl |
Aufträge zur Einreichung von Standesinitiativen | 53 |
Davon Volksaufträge | 2 |
Erheblich erklärte Aufträge | 26 |
Offene Aufträge | 1 |
Zustande gekommene Standesinitiativen | 24 |
Vom Kantonsrat abgelehnte Standesinitiativen | 1 |
Aktuell offene Standesinitiativen im Kanton Solothurn | 1 |
Ablauf beim Bund
Nach einer Einreichung der Standesinitiative führen die zuständigen Kommissionen des National- und Ständerats eine Vorprüfung durch. Sie prüfen dabei, ob der Anlass für eine Regelung im Grundsatz gegeben und das weitere Vorgehen in Form einer Standesinitiative zweckmässig ist. Führt die Vorprüfung in beiden Kommissionen (National- und Ständerat) zu einem positiven Entscheid, wird der Initiative Folge gegeben. Falls eine Kommission nicht zustimmt, entscheidet der Rat. Vertiefte Informationen zum Vorgehen bei Uneinigkeit zwischen den beiden Räten ist im Parlamentswörterbuch des Bundes zu finden. Wenn beide Kommissionen beziehungsweise Räte der Vorlage Folge geben, wird eine Kommission beauftragt, einen Erlassentwurf auszuarbeiten. Diesen Erlassentwurf müssen wiederum beide Räte beraten.
Informationen zu den Standesinitiativen des Kantons Solothurns beim Bund (1991-2023) | Anzahl |
Zustande gekommene Standesinitiativen | 24 |
Davon offen | 2 |
Davon keine Folge gegeben | 17 |
Davon Folge gegeben und abgeschrieben | 4 |
Davon Folge gegeben | 1 |
Am ersten Sitzungstag der Januar-Session wird sich zeigen, ob der Kanton Solothurn eine weitere Standesinitiative einreichen wird. Da sowohl der Regierungsrat als auch die vorberatende Umwelt-, Bau- und Wirtschaftskommission (UMBAWIKO) der Standesinitiative zustimmen und der ursprüngliche Auftrag eine deutliche Mehrheit fand, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass der Kantonsrat gleich entscheiden wird.
Quellen
- Artikel 160 Absatz 1 Bundesverfassung
- Artikel 110 und Artikel 115 f. Parlamentsgesetz
- Artikel 29 Absatz 1 Buchstabe d Kantonsverfassung
- Artikel 76 Absatz 1 Buchstabe g Kantonsverfassung
Autorin: Svenja Hofer