Die Welt im Büro

Carmen Niederberger vor roten Stühlen und Tischen im Innenhof des Ambassadorenhofs
Carmen Niederberger, Leiterin Asylbüro

Sie nennt sich scherzhaft «Mama Asyl» und war schon auf der Kinoleinwand zu sehen: Carmen Niederberger vom Migrationsamt. Nach über 30 Jahren als Leiterin des Asylbüros geht sie per Ende Jahr in Frühpension. Ein Rückblick auf Begegnungen mit Menschen aus aller Welt.

Im Büro von Carmen Niederberger hängen Bilder von Frauen, Männern und Kindern aus den verschiedensten Ländern: «Ich habe heute noch Kontakt mit ehemaligen Kundinnen und Kunden». Ihre Kundinnen und Kunden, das sind Menschen, die in den Kanton Solothurn geflüchtet sind. Carmen Niederberger war früher Reiseleiterin im Ausland. Sie sei 1990 nur kurz auf Visite in Solothurn gewesen, erzählt sie. Dann habe sie ein Inserat gesehen, sich als Befragerin beim Kanton beworben und den Job erhalten. «Ich befragte Frauen und Kinder, wurde speziell ausgebildet für die Befragung von Vergewaltigungsopfern.» Sie war die erste Frau im Team und übernahm schon nach kurzer Zeit die Leitung des Asylbüros. «Ich dachte damals, ich bleibe ein Jahr. Nun bin ich seit 34 Jahren dabei», sagt sie lachend.

Vom Flüchtling zum Gemeinderat

Carmen Niederberger hat in dieser Zeit Menschen aus zahlreichen Krisen und Kriegen verfahrensmässig betreut: Sri Lanka, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Afghanistan, Ukraine. «Wir erleben schwierige Schicksale, aber auch schöne und berührende Geschichten», erzählt sie. Zum Beispiel von einem Mann, der vom Bosnien-Krieg in den Kanton Solothurn flüchtete, später eingebürgert und in den Gemeinderat seines Dorfes gewählt wurde. «Er hat mich dann ganz glücklich angerufen und mir gesagt, er sei nun Gemeinderat», so Carmen Niederberger. Eine andere Geschichte ist die einer Frau, die Carmen Niederberger ansprach, als sie ihr Büro putzte: «Kennen Sie mich noch? Ich war als Kind bei Ihnen». Da seien ihr fast die Tränen gekommen, berichtet Carmen Niederberger: «Man kann sagen, ich bin Mama Asyl», sagt die Solothurnerin mit einem Schmunzeln.

Auf der Kinoleinwand

Carmen Niederberger hat ein grosses Wissen über viele Länder. In ihrer täglichen Arbeit mit den Flüchtlingen ist sie empathisch, fährt aber auch eine klare Linie. Man müsse ein Vertrauensverhältnis zu den Menschen aufbauen, ihnen aber klipp und klar sagen, was in der Schweiz erlaubt sei und was nicht: «Wenn einer ein krummes Ding gemacht hat und ich weiss davon, dann spreche ich ihn an und sage ihm, er schade damit allen anderen Asylsuchenden.» Ihr Job hat Carmen Niederberger sogar schon eine Filmrolle eingebracht. In «Escape to Paradise» von Nino Jacusso aus dem Jahr 2001 spielte sie eine 10-stündige Befragung mit einem Kubaner nach, die sie durchgeführt hatte. Ende Jahr taucht Carmen Niederberger in eine neue Rolle ein. Nach 34 Jahren geht sie in Frühpension und sagt zu ihren Zukunftsplänen: «Mich wird es immer wieder ins Ausland ziehen!»

Carmen Niederberger in ihrem Büro mit Fotos von Menschen aus aller Welt
Carmen Niederberger in ihrem Büro mit selbstgemachten Fotos von Menschen aus aller Welt.