01.06.2016 Verwaltungsgericht

§ 30 Abs. 3 SubG i.V.m. § 14 Abs. 1 SubG. Sind die Schwellenwerte für das Einladungsverfahren gemäss § 14 Abs. 1 SubG nicht erreicht, ist kein Rechtsschutz gegeben. Dies gilt auch, wenn die Gemeinden in ihren Submissionsreglementen tiefere Schwellenwerte für das Einladungsverfahren festgesetzt haben.

 

 

Sachverhalt:

 

1. Die Vergabebehörde lud im Rahmen eines Submissionsverfahrens für ein Brokermandat per 1. Januar 2016 verschiedene Brokeranbieter zur Einreichung eines Angebots ein. Unter anderen reichte auch die A. AG ein Angebot ein. Die Gemeinderatskommission entschied, das Mandat an die B. AG (Zuschlagsempfängerin) zu übertragen. Mit Schreiben vom 25. November 2015 teilte die Vergabebehörde den Anbietern diesen Beschluss ohne Rechtsmittelbelehrung den Offerenten mit. Dagegen erhob die A. AG (nachfolgend Beschwerdeführerin) beim Verwaltungsgericht Beschwerde. Das Verwaltungsgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.

 

 

Aus den Erwägungen:

 

1.1 Vorab zu klären ist die Frage, ab welchem Schwellenwert die Beschwerde im Submissionsverfahren beim Verwaltungsgericht zulässig ist. Das Verwaltungsgericht musste bisher noch nie entscheiden, ob für das Eintreten auf eine Beschwerde der Schwellenwert des Einladungsverfahrens des kantonalen Submissionsgesetzes oder der kommunalen Submissionsreglemente anzuwenden seien.

 

1.2 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zu Grunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen. Die Gesetzesmaterialien können beigezogen werden, wenn sie auf die streitige Frage eine klare Antwort geben (BGE 133 III 175 E. 3.3.1 mit Hinweisen).

 

1.3 Der Wortlaut von § 30 Abs. 3 Submissionsgesetz (SubG, BGS 721.54), welcher per 1. März 2015 eingeführt wurde, lautet wie folgt: «Bei Beschaffungen, deren Gesamtwert den Schwellenwert für das Einladungsverfahren nach § 14 Abs. 1 SubG nicht erreicht, kann nicht Beschwerde erhoben werden.» Die Schwellenwerte beim Einladungsverfahren liegen bei CHF 300‘000.00 bei Aufträgen des Bauhauptgewerbes; CHF 150‘000.00 bei Aufträgen des Baunebengewerbes und bei Dienstleistungen; CHF 100‘000.00 bei Lieferungen (§ 14 Abs. 1 SubG).

 

1.4 Gemäss §§ 13 Abs. 1bis und 14 Abs. 2 SubG können Auftraggeberinnen nach § 1 lit. b SubG in rechtsetzenden Reglementen tiefere Schwellenwerte festlegen (für das offene und selektive Verfahren sowie für das Einladungsverfahren). Gemeinden sind Auftraggeberinnen nach § 1 lit. b SubG. Die Vergabebehörde hat von der Möglichkeit, ein kommunales Submissionsreglement zu erlassen, Gebrauch gemacht. Nach § 1 Submissionsreglement der Vergabebehörde (vom 1. Januar 2007) ergänzt dieses das kantonale Gesetz. In § 3 Abs. 1 Submissionsreglement der Vergabebehörde wird der Schwellenwert für das Einladungsverfahren definiert: «Der Auftrag wird im Einladungsverfahren vergeben, wenn sein Gesamtwert den Betrag von CHF 60‘000.00 erreicht.» Weiter wird zum Einladungsverfahren ausgeführt: «Für Aufträge im Bereiche der Informationstechnologie gelten die Schwellenwerte gemäss § 14 Abs. 1 SubG (§ 1 Abs. 2 Submissionsreglement). Der Gemeinderat passt den Schwellenwert von Abs. 1 periodisch der Teuerung sowie den Vorgaben des übergeordneten eidgenössischen und kantonalen Rechts an (§ 1 Abs. 3 Submissionsreglement).»

 

1.5.1 Beim Brokermandat handelt es sich um eine Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 Submissionsverordnung [SV, BGS 721.55] i.V.m. Ziff. 6 des Anhangs 1), aber nicht um einen Bereich der Informationstechnologie im Sinn von § 3 Abs. 2 des Submissionsreglement der Vergabebehörde (für solche würden die Schwellenwerte nach § 14 Abs. 1 SubG gelten). Das Brokermandat ist ein Auftrag, für welchen gemäss Submissionsreglement der Vergabebehörde der Schwellenwert für das Einladungsverfahren CHF 60‘000.00 beträgt. Für die Zulässigkeit der Beschwerde stellt sich also die Frage, ob die kantonalen Schwellenwerte für das Einladungsverfahren (Dienstleistungen: CHF 150‘000.00, § 14 Abs. 1 lit. b SubG) gelten oder der tiefer angelegte Schwellenwert für das Einladungsverfahren durch eine Gemeinde (für die Vergabebehörde: CHF 60‘000.00).

 

1.5.2 Die Fragestellung kann auch anders formuliert werden: Wollte der Gesetzgeber mit § 30 Abs. 3 SubG nur bei den freihändigen Verfahren die Beschwerde ausschliessen oder generell unterhalb der Schwellenwerte von § 14 Abs. 1 SubG, unabhängig davon, welches Verfahren angewendet wird?

 

1.6 Den Wortmeldungen im Kantonsrat vom 12. November 2015 ist zu entnehmen, dass die Parlamentarier mit der Abschaffung der Beschwerde gegen freihändige Vergaben einverstanden waren. Nicht Gegenstand der Diskussion war, ob die Abschaffung der Beschwerde auch im Einladungsverfahren von Gemeinden unterhalb des kantonalen Schwellenwerts gelten soll. Im Kantonsrat wurde diese Möglichkeit überhaupt nicht erwähnt. Den Materialien des Kantonsrats zur Änderung des Submissionsgesetzes ist somit nichts Weiteres zu entnehmen (Kantonsratssitzung 18 vom 12. November 2014, Geschäft: RG 087/2014).

 

1.7 Für das Submissionsverfahren gibt es einen «Leitfaden» (nachfolgend Leitfaden Submission), der vom Kanton Solothurn zusammen mit dem Verband Solothurner Einwohnergemeinden (VSEG) und dem Bürgergemeinden- und Waldeigentümerverband Kanton Solothurn erarbeitet wurde. Diesem Leitfaden Submission ist auf Seite 12 unter Rechtsschutz zu entnehmen: «Massgebend dafür, ob Rechtsschutz besteht, sind die Schwellenwerte für das Einladungsverfahren gemäss § 14 Abs. 1 SubG. Dies gilt auch dann, wenn die Gemeinde in ihrem Reglement tiefere Schwellenwerte festgesetzt hat.» Dem Leitfaden Submission kann allenfalls entnommen werden, was mit dem Wortlaut von § 30 Abs. 3 SubG gemeint sein könnte. Die Anpassungen wegen des neuen Rechtsschutzes im Leitfaden erfolgten erst im Dezember 2015. Zurzeit der Kantonsratssitzung vom 12. November 2014 war diese Auslegung somit noch nicht publiziert. Der Leitfaden Submission ist keine gesetzliche Quelle und für das Verwaltungsgericht grundsätzlich nicht verbindlich.

 

1.8.1 Für die Beurteilung, ob der Rechtsschutz auch im Einladungsverfahren unterhalb der kantonalen Schwellenwerte gilt, ist somit mangels anderer Auslegungshilfe der Wortlaut von § 30 Abs. 3 SubG entscheidend, wonach die Beschwerde ausgeschlossen sein soll, wenn der Gesamtwert den Schwellenwert für das Einladungsverfahren nach § 14 Abs. 1 SubG nicht erreicht wird. Damit bezieht sich die Beschwerdemöglichkeit einzig auf die in § 14 Abs. 1 SubG genannten Schwellenwerte des Einladungsverfahrens und nicht auf den Schwellenwert der Einladungsverfahren, welche je nach Gemeinde unterhalb der kantonalen Schwellenwerte sein können. § 30 Abs. 3 SubG verweist denn auch nur auf § 14 Abs. 1 SubG und nicht auf Abs. 2.

 

1.8.2 Gemäss 43bis SubG sind Submissionsreglemente der Gemeinden aufgehoben, wenn sie dem kantonalen Submissionsgesetz widersprechen. Abweichen vom Submissionsgesetz dürfen die Gemeinden nur in den vorgegebenen Bereichen. Dies betrifft, wie bereits in E. 1.4 aufgezählt, die Schwellenwerte. Keine eigenen Bestimmungen dürfen die Gemeinden beim Rechtsschutz festlegen (§§ 30 ff. SubG).

 

1.8.3 Der Rechtsschutz richtet sich somit nach dem kantonalen Submissionsgesetz. Die Ausdehnung des Rechtsschutzes auf Einladungsverfahren der Gemeinden unterhalb der kantonalen Schwellenwerte für das Einladungsverfahren ist nicht vorgesehen. Daraus folgt, dass der Rechtsschutz bei Aufträgen des Bauhauptgewerbes ab CHF 300‘000.00, bei Aufträgen des Baunebengewerbes und bei Dienstleistungen ab CHF 150‘000.00 und bei Lieferungen ab CHF 100‘000.00 gewährt ist. Unterhalb dieser Werte besteht im Submissionsverfahren kein Rechtsschutz, unabhängig davon, in welchem Verfahren die Submission durchgeführt wurde. Dies steht in Übereinstimmung mit der Argumentation des Bundesgerichts in BGE 131 I 137. Der Bundesgesetzgeber hat für die öffentlichen Beschaffungen des Bundes selber eine analoge Beschränkung des Rechtsschutzes vorgesehen: Das Bundesgesetz vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (BoeB, SR 172.056.1) ist gemäss seinem Artikel 6 nur anwendbar, wenn der geschätzte Wert des zu vergebenden öffentlichen Auftrages bestimmte Schwellenwerte (vgl. Art. 6 Abs. 1 lit. a bis d BoeB, wonach der Schwellenwert für Dienstleistungen bei CHF 230‘000.00 liegt) erreicht. Liegt der Auftragswert darunter, sind auch die Verfahrens- und Rechtsschutzbestimmungen des Gesetzes (Art. 26 ff. BoeB) nicht anwendbar. Dass und wieso der Bund den Kantonen einen weiter gehenden Rechtsschutz vorschreiben wollte, liegt nicht ohne weiteres auf der Hand; es ist nicht ersichtlich, weshalb die Kantone bundesrechtlich verpflichtet sein sollten, auch für sogenannte Bagatellvergaben Rechtsmittelverfahren vorzusehen, wenn der Bund selber für solche Fälle keinen Rechtsschutz kennt (BGE 131 I 137 E. 2.4 S. 141 f).

 

2.1 Damit die Vergabebehörden die Vergabeverfahrensart wählen können, müssen sie den Gesamtwert berechnen. Die mit dem Gesamtwert ermittelte Verfahrensart, ist beizubehalten. Den Vergabebehörden ist verwehrt, das einzuschlagende Verfahren nachträglich aufgrund der eingegangenen Offerten zu bestimmen. Die Vergabebehörde muss sich also vorgängig, gestützt auf eine Schätzung oder allenfalls von Richtofferten der mutmasslichen Kosten, für eine Verfahrensart entscheiden (vgl. Peter Galli et al., Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, Zürich / Basel / Genf 2013, N 321). Für die Wahl des richtigen Verfahrens massgebend ist einerseits die Art des zu vergebenden Auftrags (Lieferung, Dienstleistung, Bauauftrag) und anderseits der Wert des konkreten Auftrags bzw. das Auftragsvolumen (Peter Galli, a.a.O., N 323).

 

2.2.1 Die ausgeschriebene Dienstleistung (Brokermandat) läuft über mehrere Jahre. Ob die Laufzeit bestimmt oder unbestimmt ist, geht aus den Akten nicht hervor. Die Vergabebehörde ist bei ihrer Aussage in der Eingabe vom 11. Januar 2016 zu behaften, wenn sie schreibt, dass die Finanzverwaltung gehalten sei, die Verträge alle fünf Jahre zu überprüfen.

 

2.2.2 Gemäss § 13 Abs. 1 SV ist bei Verträgen mit einer bestimmten Laufzeit: der Gesamtwert (lit. a) und bei Verträgen mit unbestimmter Laufzeit: die monatliche Rate multipliziert mit 48 (lit. b) für den Gesamtwert massgebend. Die Bestimmung von § 13 Abs. 1 SV bezieht sich jedoch auf Güter oder Dienstleistungen durch Leasing, Miete oder Mietkauf. Beim Brokermandat handelt es sich zwar um eine Dienstleistung, jedoch nicht durch Leasing, Miete oder Mietkauf. Die Berechnung ist jedoch aufgrund der wiederkehrenden Leistung analog anwendbar.

 

2.2.3 Aufgrund des Schreibens der Stadt Grenchen vom 11. Januar 2016 ist auf eine bestimmte Laufzeit von fünf Jahren für die Berechnung des Gesamtwerts abzustellen.

 

2.3.1 Wie bereits unter E. 2.1 festgehalten, hat die Vergabebehörde die mutmasslichen Kosten im Voraus zu schätzen. Die Vergabebehörde nahm die Schätzung des mutmasslichen Werts wie folgt vor: Sie zählte die Brokerkosten der Jahre 2008 bis 2014 (sieben Jahre) zusammen und teilte den Wert durch sieben. Dies ergab den durchschnittlichen Jahreswert der Brokerkosten von CHF 22‘259.33. Diesen durchschnittlichen Jahreswert multiplizierte die Vergabebehörde mit der Laufzeit des Vertrags von fünf Jahren. Der errechnete Gesamtwert betrug CHF 111‘296.64 und lag unter dem kantonalen Schwellenwert für Dienstleistungen im Einladungsverfahren.

 

2.3.2 Das Vorgehen bei der Schätzung ist nachvollziehbar und geeignet, um den Gesamtwert zu bestimmen. Da keine Änderungen im Volumen gegenüber dem bisherigen Brokermandat beabsichtigt waren, durfte die Vergabebehörde davon ausgehen, dass sich die Offerten für das Brokermandat im bisherigen Rahmen halten würden. Dies zeigen dann auch die tatsächlich eingegangenen Offerten.

 

2.4 Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin umfasst das jährliche Entschädigungsvolumen nicht die marktüblichen Minimalcourtagen von rund CHF 53‘000.00. Massgebend ist der abgerechnete Aufwand mit einer allfälligen Gewinnbeteiligung aus den übrigbleibenden Courtagen, wobei die Verteilung der übrigbleibenden Courtagen von den Anbieterinnen sehr unterschiedlich angeboten wurde.

 

2.5 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das von der Vergabebehörde vorgenommene Vorgehen für die Schätzung des Gesamtwerts nicht zu beanstanden ist. Der Gesamtwert der Vergabe für das Brokermandat beträgt für fünf Jahre CHF 111‘296.64. Der Schwellenwert von CHF 150‘000.00 ist nicht erreicht. Gegen den Vergabeentscheid kann nicht Beschwerde beim Verwaltungsgericht geführt werden. Auf die Beschwerde ist somit mangels Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht einzutreten.

 

Verwaltungsgericht, Urteil vom 16. März 2016 (VWBES.2015.434)