Kantonsrat: «Rektor ad interim» - Keine Unvereinbarkeit des Kantonsratsmandats
25.09.2002 - Solothurn – Das Büro des Kantonsrats hat die Tätigkeit eines «Rektors ad interim» an einer kaufmännischen Berufsschule nicht als unvereinbar mit der Ausübung des Mandats als Kantonsrat bezeichnet.
Aufgrund einer Anfrage von Kantonsrat Markus Schneider (SP) hatte sich das Büro des Kantonsrates mit der Frage zu befassen, ob das Mandat als Kantonsrat mit der Tätigkeit als «Rektor ad interim» an einer kantonalen kaufmännischen Berufsschule vereinbar sei. Grundlage ist die Unvereinbarkeitsregelung in der Kantonsverfassung (Art. 58 Abs. 3): «3 Dem Kantonsrat dürfen Beamte und Angestellte der kantonalen Verwaltung, der Gerichte und der kantonalen Anstalten mit Verwaltungsaufgaben sowie die leitenden Funktionäre der übrigen kantonalen Anstalten nicht angehören.» Kantonale Berufsschulen fallen unter den Begriff der «übrigen kantonalen Anstalten» im Sinne von Art. 58 Abs. 3 KV, weil sie keine Verwaltungsaufgaben erfüllen, also nicht unmittelbar Gesetze vollziehen und deshalb nur ausnahmsweise hoheitlich handeln. Solche Anstalten handeln in der Regel in verfügungsfreier Form (z.B. erteilen von Unterricht, Pflege von Patienten etc.). Als «leitende Funktionäre» der kantonalen Schulen gelten seit jeher die Rektoren; bisher musste allerdings noch nie darüber befunden werden, ob auch «Rektoren ad interim» unter die Unvereinbarkeitsregelung fallen und demzufolge das Kantonsratsmandat abgeben müssen. Das Büro verneint diese Frage.
Bei seinem Entscheid liess sich das Büro einerseits davon leiten, dass es die erklärte Absicht des Verfassungsrates war, die Unvereinbarkeitsregelung zu lockern. Andererseits ist das Büro zur Auffassung gelangt, dass die Unvereinbarkeitsregelung als Eingriff in das passive und in das aktive Wahlrecht eng zu verstehen ist und nicht auf dem Wege der Auslegung ausgedehnt werden darf. Im Interesse der Rechtssicherheit hat sich das Büro an klaren formellen Kriterien orientiert: Wer Rektor einer kantonalen Schule ist, ist als «leitender Funktionär» nicht in den Kantonsrat wählbar; wer nicht Rektor ist, ist wählbar. Ein «Rektor ad interim» ist formell kein Rektor, deshalb ist keine Unvereinbarkeit gegeben. Das Büro ist sich zwar bewusst, dass im konkreten Fall von Kantonsrat Beat Käch (FdP) - «Rektor ad interim» an der kaufmännischen Berufsschule Grenchen seit 31. Juli 2000 - das Provisorium schon sehr lange andauert, und dass er faktisch alle Funktionen eines Rektors ausübt. Die Zeitdauer des Provisoriums stellt indessen nach Auffassung des Büros für sich allein keinen Unvereinbarkeitsgrund dar, weil die Verfassung selber dieses Kriterium nicht erwähnt. Das Büro geht davon aus, dass es nicht die Absicht der Verfassung sein kann, Personen, die bestimmte Funktionen provisorisch wahrnehmen, definitiv vom Parlamentsmandat auszuschliessen.
Mit dem Entscheid des Büros wird auch die Gleichbehandlung mit Fällen sichergestellt, in denen z.B. ein Prorektor in Ermangelung eines Rektors (aus welchen Gründen auch immer) dessen Funktionen wahrnimmt, ohne gleichzeitig als «Rektor ad interim» bezeichnet zu werden.