Reform der Strafverfolgung in die Vernehmlassung geschickt
11.09.2002 - Solothurn – Der Regierungsrat hat das Vernehmlassungsverfahren zur Reform der Strafverfolgung im Kanton Solothurn eröffnet. Sie dauert bis Mitte Dezember 2002. Die Vorlage ist auf das künftige Bundesrecht ausgerichtet, das mit einer Schweizerischen Strafprozessordnung und einem Schweizerischen Jugendstrafverfahren eine Vereinheitlichung der kantonalen Prozessrechte anstrebt.
Der Regierungsrat schlägt eine Verfassungsänderung sowie eine Reihe von Gesetzesänderungen im Bereich der Strafverfolgung vor. Die Strafverfolgung soll wirksamer werden und die rechtsstaatlichen Anforderungen erfüllen.
Nach der Verurteilung des Kantons Solothurn durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist ein Haftrichter zu schaffen. Er wird zugleich als Statthalter aller Richterämter einsetzbar sein. Die heutigen Gerichtsstatthalter, welche in den Amteien gewählt wurden, werden abgeschafft.
Die Untersuchungsrichter sollen neu als Staatsanwälte einem weisungsbefugten Oberstaatsanwalt unterstellt sein, der die Staatsanwaltschaft leiten wird. Die Staatsanwälte werden neu vor erster Instanz die Anklage persönlich vertreten oder zumindest schriftlich erheben. Die künftige Staatsanwaltschaft soll an zwei Standorten konzentriert werden. Zum Hauptsitz in Solothurn wird das ehemalige Schülerkosthaus, welches sanft renoviert wird. Daneben bleibt die Geschäftsstelle in Olten im Amthaus bestehen.
Die Entscheidkompetenzen im Strafbereich sollen neu geregelt werden: Das Obergericht wird zur ausschliesslichen Rechtsmittelinstanz; Kriminal- und Kassationsgericht werden abgeschafft.
Alle Strafsachen werden erstinstanzlich vom Amtsgericht beurteilt werden. Ist eine Strafe von weniger als 18 Monaten beantragt, wird der Einzelrichter zuständig sein. Die Staatsanwälte können mit Strafverfügung Freiheitsstrafen von bis zu sechs Monaten aussprechen. Ihnen sind Untersuchungsbeamte beigegeben, die in eigener Kompetenz Uebertretungen mit Busse erledigen. Mit dem Strafverfügungsverfahren für "Kleinkriminalität" wird dem politischen Wunsch nach einem "Schnellrichter" Rechnung getragen.
Der Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt in der Familie soll mit einer Teilrevision des Kantonspolizeigesetzes verbessert werden. Die Polizei kann neu potentielle Gewalttäter aus der Familienwohnung wegweisen und ihnen die Rückkehr verbieten. Drohen diese ernsthaft, ein schweres Verbrechen zu begehen, kann die Polizei sie für maximal zehn Tage in Gewahrsam nehmen, wenn der Haftrichter einem entsprechenden Antrag zustimmt.
Die heutige Jugendanwaltschaft wird zum Jugendrichteramt, das vom Jugendgerichtspräsidenten geleitet wird. Er führt die Strafuntersuchungen gegen die Jugendlichen und kann diese mit Strafverfügung oder Urteil abschliessen. Für Einschliessung über drei Monate wird neu das Jugendgericht zuständig sein. Es besteht aus dem Jugendgerichtspräsidenten als Vorsitzendem sowie einem Jugendrichter aus jeder der fünf Amteien und tagt in Dreierbesetzung.
Die Reform der Strafverfolgung hat finanzielle Auswirkungen. Für die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte ist mit einem zusätzlichen Besoldungsaufwand von netto ca. Fr. 260'000.-- (entspricht knapp 1,6 % der gesamten Besoldungskosten für Strafverfolgungsbehörden und Gerichte) zu rechnen, für die Kantonspolizei mit einem zusätzlichen Besoldungsaufwand von netto ca. Fr. 180'000.--. Weiter ist mit einmaligen Kosten für Informatikmittel (ca. Fr. 100'000.--) und Renovation des staatseigenen Franziskanerhofes (ca. Fr. 4,6 Mio.) zu rechnen. Durch die räumliche Konzentration im Franziskanerhof kann jährlich ein Nettomietzins von Fr. 150'000.-- eingespart werden. Würde der Franziskanerhof nicht genutzt, fallen jährlich trotzdem rund Fr. 60'000.-- an Betriebs- und Unterhaltskosten an.