Psychiatrische Dienste – Handlungsbedarf aus dem Leistungsauftrag
04.07.2003 - Solothurn - Die Nachfrage nach Leistungen der Psychiatrischen Dienste des Kantons Solothurn (PDKS) ist unverändert hoch. Das verlangt nach einem Ausbau des Angebots, führt aber auch zu wachsenden Kosten, wie dem Jahresbericht 2002 zu entnehmen ist. Die Verantwortlichen suchen deshalb vermehrt die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen. Besonderen Wert legen sie auf die Förderung qualitätssichernder Massnahmen.
"Das Gesundheitswesen in der Schweiz ist nicht krank. Auch die ständige Wiederholung einer Falschaussage erhöht ihren Wahrheitsgehalt nicht." Mit dieser Feststellung beantwortet der Präsident der Psychiatriekommission, Kantonsrat Ulrich Bucher (Zuchwil), eine Frage, die er seinem Geleitwort zum Jahresbericht vorangestellt hat. Problematisch seien die sehr hohen Kosten und die mutmassliche Kostenentwicklung, stellt Bucher fest. Bisher verzeichne die Politik bei der Suche nach Korrekturmöglichkeiten wenig Erfolg, weil die Umsetzung in einem direktdemokratischen System schwierig sei. Dennoch dürfe das Primat der Politik nicht aufs Spiel gesetzt werden. Für effektive Verbesserungsmöglichkeiten gebe es genügend Grundlagen; es gehe eigentlich nur noch darum, "kurzfristige Interessen durch eine langfristige und auf Nachhaltigkeit fokussierte Optik zu ersetzen" – und dabei die Anliegen der Psychiatrie nicht zu vergessen.
Konsequenzen der Regionalisierung
Mit der Überprüfung des Leistungsauftrags wird das Projekt "Regionalisierung der solothurnischen Spitäler" bei den PDKS abgeschlossen. Nach den Ausführungen des Vorsitzenden der Geschäftsleitung, Rolf Neuenschwander, hat sich sowohl im stationären und im teilstationären als auch im ambulanten Angebot ein Handlungsbedarf ergeben. Der vorgesetzten Behörde wurde Ende Jahr ein Schlussbericht mit Prioritäten- und Terminplan sowie Angaben zum Finanzbedarf eingereicht.
Die Qualitätssicherung ist ein ständiger Begleiter auf allen Ebenen. Zur Effizienz- und Qualitätssicherung gehört der Einkauf von Dolmetscherleistungen über den Ausländerdienst der Caritas Solothurn. Im kaufmännischen Bereich ist der neue Tarifkatalog für die Abrechnung von Arzt- und Spitalleistungen umzusetzen; zudem wird das Personal durch die Ablösung des administrativen Informatik-Systems der solothurnischen Spitäler und der Psychiatrischen Dienste stark beansprucht. Auf ein positives Echo stiessen die Einführungsanlässe für neue Mitarbeitende, und Verbesserungen – sowie mehr Sicherheit für Patienten und Personal – brachte der Ersatz der traditionellen "Piepser" durch Cordless-Geräte.
Zur Infrastruktur verweist Neuenschwander auf die Arbeiten an der Klinik in Solothurn. Der bisherige Verwaltungstrakt wurde abgebrochen; er wird durch einen Neubau mit einem Verwaltungsgeschoss sowie zwei Geschossen mit je einer Akutabteilung ersetzt. Zudem gingen Ende Jahr die Bauvorhaben der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Station in Solothurn von der Planungs- in die Realisierungsphase über.
Erwachsenenpsychiatrie
Mit kleinen, aber stetigen Ausbauschritten werde es gelingen, für die psychisch kranken Menschen ein modernes und qualitativ gutes Angebot zu realisieren, schreibt der Chefarzt Erwachsenenpsychiatrie, Daniel Bielinski. Er erwähnt dazu die Professionalisierung des Angebots in der Fridau (gerontopsychiatrischer Langzeitbereich) und die Integration der beiden heroingestützten Behandlungszentren in Olten und Solothurn mit 75 Plätzen in den Suchtbereich zu Beginn des Jahres 2003.
2002 wurden in der Erwachsenenpsychiatrie 64‘518 (Vorjahr 65‘669) Pflegetage verzeichnet. Die Zahl war zum zweiten Mal in Folge rückläufig, unter anderem deshalb, weil die durchschnittliche Aufenthaltsdauer auf 39.7 (ohne KJP; Vorjahr 47.6) Tage zurückging. Die durchschnittliche Patientenzahl betrug 177 (ohne KJP; Vorjahr 180), die durchschnittliche Bettenbelegung 84,8 (86,4) Prozent. Weiterhin zunehmend war dem gegenüber die Nachfrage nach Leistungen in den Ambulatorien von Solothurn und Olten; sie wurden von 1023 (991) Patienten in Anspruch genommen.
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Im 21. Jahr des Bestehens gab es im Kinder- und Jugendpsychiatrien Dienst (KJPD) erstmals mehr als 1000 Behandlungen, nämlich 1040 (Vorjahr 935). Auf diese "historische Marke" weist auch Chefarzt Daniel Barth hin. Er erklärt die Zunahme mit den Bemühungen, der Unterversorgung entgegenzuwirken. 2001 erfolgte der räumliche und personelle Ausbau der Ambulatorien in Grenchen und Solothurn, und im Frühjahr 2002 wurde in Balsthal eine teilzeitlich besetzte Zweigstelle eröffnet. Die durchschnittliche Wartedauer beträgt nun vier bis sechs Wochen, etwa die Hälfte gegenüber den Vorjahren. Noch ausstehend ist ein personeller Ausbau in Olten sowie die Verstärkung der Behandlung am Wohnort.
Der KJPD intensivierte zudem die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen auf regionaler und überregionaler Ebene und er war massgeblich am Schlussbericht der kantonalen Arbeitsgruppe Kinderschutz beteiligt. Man suchte auch vermehrt den fachlichen Austausch mit dem Schulpsychologischen Dienst. Die Station Gotthelf-Haus in Biberist war erneut überbelegt; zur Linderung der grössten Not sprang die erwachsenenpsychiatrische Klinik ein. Grosse Hoffnungen werden in den Wechsel der Kinder- und jugendpsychiatrischen Station von Biberist in die Steingrube in Solothurn Mitte 2004 gesetzt.
Personal und Nachwuchspflege
Auch das Personal der PDKS – mit einem durchschnittlichen Bestand von 294,4 (288,5) Vollstellen ist an den Verhandlungen über einen Gesamtarbeitsvertrag beteiligt. Weil die Gewaltanwendung von Patienten gegenüber dem Personal nie auszuschliessen ist, wurde in der Fortbildung der Umgang mit Gewalt thematisiert. Damit und im Rahmen der Aktivitäten von "Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz" soll den Absenzen und der Fluktuationsrate entgegengewirkt werden.
Ruth Wälchli freut sich als Leiterin des Pflegedienstes besonders, dass über 30 Pflegende einen elftägigen Fortbildungskurs als Lernbegleitende absolviert haben. Die verantwortlichen Personen der Gerontopsychiatrie an den Standorten Solothurn und Egerkingen setzten sich zum Ziel, eine vernetzte Zusammenarbeit aufzubauen. Für die Lernenden gilt nun das Lehrortsprinzip; im August 2002 begannen neun ihre Lehre als Pflegefachpersonen mit dem Schwerpunkt Psychiatrie.
Höherer Staatsbeitrag
Mit dem Jahr 2002 begann eine neue Globalbudgetperiode, die bis 2004 dauert. Der Aufwand lag mit 39,3 (Vorjahr 34,8) Mio. Franken um 3,1 Mio. Franken über dem Budget, doch fiel auch der Ertrag mit 22,8 (20,9) Mio. Franken höher aus. Der Staatsbeitrag belief sich auf 16,6 Mio. Franken. Die grosse Differenz zum Vorjahr (12,6 Mio. Franken) ergibt sich zum einen aus der Verbuchung von Bruttobeträgen und zum andern aus der Anstellung von zusätzlichem Personal. Sie ist die Folge von Sicherheitsansprüchen, und auch die Bewältigung von administrativen Aufgaben nimmt laufend zu.