Sekundarstufe I wird neu ausgerichtet, neues Mittelschulgesetz
22.12.2004 - Solothurn – Die Sekundarstufe I erhält ein neues Gesicht: u. a. einheitlicher Übertritt nach der 6. Klasse, nur noch vier Schultypen, einheitliche Vorbereitung auf die Maturitätsschulen, bessere Vorbereitung auf die Berufswelt. Gleichzeitig geht die Reform des Kantonsschulgesetzes in die Vernehmlassung. Die neuen Strukturen fügen sich in den Rahmen der heutigen Schweizer Bildungslandschaft ein. Da die beiden Geschäfte in einem Bezug zueinander stehen, legt sie der Regierungsrat gemeinsam zur Vernehmlassung vor. Diese dauert bis zum 18. März 2005.
Seit rund zehn Jahren mehren sich die Stimmen, dass die heutige Sekundarstufe I (7., 8. und 9. Klasse der obligatorischen Schulzeit) ihre Kernaufgaben aus verschiedenen Gründen nicht mehr vollumfänglich erfüllen kann. Diese allgemeine Unzufriedenheit über die Situation auf der Sekundarstufe I und verschiedene daraus resultierende kantonsrätliche Vorstösse haben eine umfangreiche Reformdiskussion ausgelöst, deren Resultat nun vorliegt. Die vom Regierungsrat vorgeschlagene Strukturreform geht nun in die Vernehmlassung.
Keine reine Strukturreform
Ziel der Reform ist eine Verbesserung der Voraussetzungen, damit die Sekundarstufe I ihre Kernaufgaben möglichst optimal erfüllen kann, im Hinblick auf die immer anspruchsvoller werdende Berufsbildung, wie auch im Hinblick auf die weiterführenden Schulen.
Als inhaltliche und strukturelle Reformelemente sind vorgesehen:
- Der Übergang von der Primarschule in die Sekundarstufe I wird optimiert. Die 6. Klasse dient als Orientierungsjahr und bereitet den kommenden Übertritt sorgfältig vor. Deshalb erfolgt der Übertritt in die Sekundarstufe I neu einheitlich nach der 6. Klasse.
- Die Sekundarstufe I wird künftig einheitlich als Sekundarschule bezeichnet und aus folgenden vier Schultypen mit verbesserter Durchlässigkeit bestehen: Sek P (Progymnasium), Sek E (erweitere Anforderungen), Sek B (Basisanforderungen) und Sek K (Kleinklasse).
- Die Vorbereitung auf die Maturitätsschulen erfolgt mit einem einheit-lichen zweijährigen Lehrgang in der Sek P, die in die Sekundarschule integriert wird.
- Rund 80% der Jugendlichen bereiten sich in der Sekundarstufe I auf ihre spätere Berufsbildung vor. Die Berufsfindung und die Entwicklung der heute notwendigen Kompetenzen gehören deshalb zu ihren Kernaufgaben. Neue inhaltliche Angebote wie Förderlektionen von der 6.-8. Klasse, gezielte Berufsvorbereitung sowie die Neuausrichtung des 9. Schuljahres, tragen diesen Bedürfnissen von Schülern wie auch der Gesellschaft und Wirtschaft Rechnung.
Um diese Reformelemente erfolgversprechend umzusetzen, braucht es entsprechend zweckmässige Schulstrukturen, das heisst, die Sekundarschulen müssen eine gewisse Mindestgrösse aufweisen. Die Reform sieht deshalb die Bildung von Sekundarschulzentren vor, davon höchstens zehn mit dem Schul-typus Sek P. Der Regierungsrat wird in der Verordnung zum Volksschulgesetz die zu erfüllenden Minimalanforderungen festlegen.
Umsetzung ab Schuljahr 2006/2007
Die inhaltliche Umsetzung der Sek-I-Reform beginnt mit Schuljahr 2006/2007 (6. Klasse nach neuer Struktur, also ohne die unterste Klasse des Untergymnasiums, aber zusätzlich mit 3 Förderlektionen pro Klasse) und ist im Schuljahr 2009/2010 abgeschlossen. Die Gesamtreform inklusive Bildung der neuen Sekundarschulzentren soll bis spätestens 2015 abgeschlossen sein. Lehrpersonen und Schulbehörden werden bei diesem Prozess durch Weiterbildungs- und Beratungsangebote unterstützt. Durch das Wegfallen der Untergymnasien verschieben sich Lehrerpensen von der Kantons- zur Volksschule.
Die Strukturreform Sek I ist jedoch keine «Sparreform». Die zusätzliche Aufnahme von Förderlektionen in allen Klassen des 6. bis 8. Schuljahres (ohne Klein- und Werkklassen) führt zu entsprechenden Mehrkosten. Insgesamt lösen die Neuerungen für Kanton und Gemeinden rund 2,2 Mio. Franken an zusätzlichen Kosten aus; ein Mehraufwand, der angesichts der Bedeutung der Sekundarstufe I und der Notwendigkeit der angestrebten Qualitätsverbesserungen – auch vor dem Hintergrund der angespannten Finanzlage der öffentlichen Hand – angemessen ist und eine lohnende Investition in die Zukunft darstellt.
Die Vernehmlassung
Eine erste Vernehmlassung zur Strukturreform Sek I hat schon 1995 stattgefunden. Rund 220 Gruppierungen nutzten damals die Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Resultate wurden von einer Strukturkommission in ihrem Schlussbericht 1998 veröffentlicht. Die jetzt vorliegende Reform stützt sich zwar auf jene Ergebnisse, berücksichtigt aber auch seither veränderte Anforderungen und soll deshalb noch einmal eine breite Vernehmlassung erfahren. Anschliessend werden Regierungs- und Kantonsrat über die Zukunft der Sekundarstufe I befinden.
Vernehmlassung neues Mittelschulgesetz
Mit dem neuen Mittelschulgesetz soll das Kantonsschulgesetz aus dem Jahr 1909 abgelöst werden. Die grundlegenden Veränderungen des Mittelschul-bereichs in den letzten Jahren und Jahrzehnten machen eine Neufassung der gesetzlichen Grundlage unumgänglich, die seit langem auch mit parlamentarischen Vorstössen verlangt worden ist. Wegen dem Bezug zu den Arbeiten an der Reform der Schulstrukturen auf der Sekundarstufe I wurden frühere Projekte für ein neues Mittelschulgesetz zurückgestellt. Der Entwurf zu einem neuen Mittelschulgesetz ist abgestimmt auf die geplante Reform der Sekundarstufe I. Das Gesetz beschränkt sich auf die auf Gesetzesstufe notwendigen Bestimmungen und verweist die Einzelheiten der Ausführung auf die Verordnungsstufe. In Bezug auf die Ausbildungsangebote der Mittelschulen ist das Gesetz offen abgefasst, so dass künftige Entwicklungen gefördert werden können. Festgeschrieben ist, dass Maturitätslehrgänge geführt werden. Der Regierungsrat kann den Mittelschulen aber auch die Führung von weiteren Bildungsgängen, insbesondere von Fachmittelschulen und allenfalls progymnasialen Bildungsgängen, übertragen. Die geltenden Regelungen (auf Verordnungsstufe) für die Führung der Mittelschulen, den Schulbetrieb und die einzelnen Bildungsgänge bleiben unverändert.
Neue Basis der Finanzierung
Die Beteiligung der Gemeinden an den Kosten des progymnasialen und gymnasialen Unterrichts während der obligatorischen Schulzeit soll auf eine neue Basis gestellt werden. Bisher haben die Gemeinden Beiträge geleistet, die aufgrund des "Gesetzes über die Trägerschaft des gymnasialen Unterrichts auf der Unterstufe vom 1. April 1990" von der Anzahl ihrer Einwohner abhängig sind. Dieses Gesetz soll aufgehoben werden. Neu sollen die Gemeinden für ihre Schüler an den kantonalen und ausserkantonalen Mittelschulen während der obligatorischen Schulzeit ein Schulgeld gemäss regionalem Schulgeldabkommen der Nordwestschweizer Kantone entrichten. Dies ist deshalb sinnvoll und angemessen, weil die Gemeinden durch die Mittelschulen heute entlastet werden. Der Kanton wird sich an diesen Kosten entsprechend der ordentlichen Subvention der Volksschule beteiligen.