Menschen mit Behinderungen - Leitbild und Handlungskonzept 2004
15.09.2004 - Solothurn – Der Regierungsrat hat Leitbild und Handlungskonzept 2004 für Menschen mit Behinderungen verabschiedet. Das Leitbild gilt für die kantonale Verwaltung als verbindlich. Vom Handlungskonzept mit seinen Massnahmen und Empfehlungen hat der Regierungsrat Kenntnis genommen.
Im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Neugestaltung des Finanzausgleiches (NFA), den Vorarbeiten zu einem neuen Sozialgesetz und einer vom Kantonsrat erheblich erklärter Motion für Basisangebot und Basisqualität in Heimen für Menschen mit Behinderungen, erwies es sich als Mangel, dass der Kanton Solothurn über kein konsistentes Leitbild und Handlungskonzept im Behindertenbereich verfügt. Mit dem neuen Leitbild und Handlungskonzept werden gleichzeitig auch die Aufträge aus der Bundesverfassung, der Kantonsverfassung und dem neuen Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes konkretisiert.
Eine breit abgestützte Arbeitsgruppe hat unter Mitarbeit einer externen Beratung einen Vernehmlassungsentwurf ausgearbeitet. Dieser Entwurf wurde dem öffentlichen Vernehmlassungsverfahren unterworfen. Die Anregungen und Kritikpunkte wurden in der nunmehr definitiven Fassung weitgehend berücksichtigt.
Leitbild und Handlungskonzept stellen keine Normen auf, wie Menschen mit Behinderungen zu leben haben. Hingegen werden Soll- Vorstellungen über das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderungen in den nächsten sechs bis zehn Jahren entwickelt.
Das Leitbild beinhaltet neun Leitsätze: Selbstbestimmung und Eigenverantwortung, Normalisierung, Integration, Solidarität, Bedarfsorientierung, Gleichwertigkeit im ganzen Kanton, Qualitätsentwicklung, Wirtschaftlichkeit und Evaluation.
Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und Mitbestimmung verbessern die soziale Rolle und die Lebensqualität. Die Behindertenpolitik sichert Menschen mit Behinderung die Freiheit, in persönlichen Fragen selber zu entscheiden und in andern sie betreffenden Angelegenheiten mitzubestimmen. Das beinhaltet auch das Risiko, falsch zu entscheiden und dafür die Verantwortung zu tragen.
Die Behindertenpolitik sorgt dafür, dass die Bedürfnisse und Wahlmöglichkeiten, die in der Gesellschaft kulturell normal, üblich und selbstverständlich sind, von Menschen mit Behinderungen wahrgenommen, bzw. befriedigt werden können. Normalisierung bedeutet, dass das Leben, das wir üblicherweise führen, als Orientierungsgrösse auch für das Leben der Menschen mit Behinderung gilt. Normalisierung bedeutet hingegen nicht, dass irgend jemand in eine Norm gebracht werden soll. Zentral ist die "Umkehr der Beweislast", d.h. "die Gesellschaft" generell und im Einzelfall beweispflichtig ist, weshalb ein Normalisierungshindernis nicht beseitigt werden kann, bzw. weshalb eine Kompensationsleistung nicht möglich ist. Diese Beweislast darf nicht – wie bisher üblich – den Menschen mit Behinderungen (und ihren Familien) aufgebürdet werden.
Integration ist am wirksamsten, wenn sie präventiv Segregation (Ausgrenzung) verhindert. An der Gleichstellung und Integration sind wir alle beteiligt. Die ersten Schritte zur Integration sind die Vermeidung und der Abbau von Integrationshindernissen. Die Anerkennung der Menschen mit Behinderungen als Gleichberechtigte Individuen hat weitreichende Konsequenzen. Es muss insbesondere akzeptiert werden, dass ein Teil der Bestehenden Strukturen, Angebote und Prozesse die Forderungen nach Gleichstellung und Integration nicht erfüllt und zu erneuern ist.
Menschen mit Behinderungen haben unabhängig von ihrem Wohnort im Kanton Solothurn Zugang zu den vom Kanton geförderten Angeboten. Gleichwertigkeit bedeutet zum einen, dass auf dem ganzen Kantonsgebiet diesem Leitbild entsprechende Angebote zugänglich sind, und zum anderen, dass die von der öffentlichen Hand geförderten Träger solcher kantonaler und regionaler Angebote sich rechtliche Gleichbehandlung der Menschen mit Behinderung verpflichten.
Das Handlungskonzept besteht aus sechs gleichwertigen Aktionsfelder: Wirtschaftliche Lage – Existenzsicherung; Arbeit; Bildung; Wohnen; Soziale Integration – Aktivität und Partizipation und Mobilität im öffentlichen Raum. In den Aktionsfelder werden Ziele, Voraussetzungen und Rechtsansprüche umschrieben sowie Massnahmen und Empfehlungen vorschlagen.
Im Rahmen der Aufgabenteilung Kanton-Einwohnergemeinden und vor allem im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Finanzausgleichs (NFA) Bund-Kantone übernimmt der Kanton die integrale Verantwortung für die Lenkung, Steuerung und Finanzierung der kantonalen Behindertenpolitik. Der Kanton erlässt dazu im Sozialgesetz die entsprechenden Bestimmungen und gewährleistet, dass die Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen entwickelt und gefördert und die notwendigen Dienstleistungen finanziert werden.
Mit dem Entwurf zu einem neuen Sozialgesetz, dem in Arbeit stehenden Heilpädagogischen Konzept, den entsprechenden Anpassungen der Gesetzgebung in Planung, Bau und Verkehr und dem initiierten Projekt "NFA Kanton Solothurn" wird nunmehr auch mit diesem Leitbild und Handlungskonzept 2004 erneut der Tatbeweis erbracht, dass der Regierungsrat gewillt ist, die mit der NFA übertragenen bisherigen Bundesaufgaben im Behindertenbereich voll wahrzunehmen, zu finanzieren und gerade auch aufgrund der örtlichen Nähe zu den Menschen mit Behinderungen und ihren Institutionen qualitativ zu verbessern.