Sozialgesetz geht ans Parlament

13.07.2005 - Solothurn - Der Regierungsrat hat Botschaft und Entwurf zu einem neuen Sozialgesetz zuhanden des Kantonsrates verabschiedet. Er hat den Hauptanliegen aus dem Vernehmlassungsverfahren Rechnung getragen und gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf vor allem auf Varianten verzichtet.

Der Kanton hält an seiner Lenkungs- und Steuerungsfunktion der sozialen Sicherheit fest. Neben dem normativen Sozialgesetz und der Sozialverordnung bilden die strategische Sozialplanung und die operativen Sozialprogramme Grundlagen für das staatliche Handeln. In einem Sozialbericht ist periodisch über die Qualität, die Resultate und Wirkungen zu orientieren, damit die Grundlagen und Massnahmen angepasst werden können. Die Rechtsprechung sichert als Rechtskontrolle das rechtmässige und rechtsgleiche Erbringen der Leistungen. Mit diesem Modell soll die Koordination unter den sozialen Hilfen, die Effektivität und Effizienz gesteigert werden.

Grundsätzlich soll die Subjektfinanzierung als Prinzip der Finanzierung von sozialen Aufgaben gelten. Mit der bedarfsorientierten Subjektfinanzierung lassen sich aber nicht alle sozialen Dienstleistungen finanzieren. Deshalb hat die Objektfinanzierung unter bestimmten Voraussetzungen immer noch ihre Berechtigung. Subventionen an soziale Institutionen werden daher geleistet, um gemeinwirtschaftliche Leistungen abzugelten, wirtschaftlich schwächeren Personen den Zugang zu den angebotenen Dienstleistungen zu verhelfen, präventive Massnahmen zu ermöglichen oder den Start einer sozialen Institution zu erleichtern.

Der Bereich Prävention wird stärker gewichtet. Die generelle Prävention, also die Aufklärung der gesamten Bevölkerung über Ursachen einer sozialen Gefährdung oder Notlage, wird als Aufgabe des Kantons statuiert. Damit wird auch eine Anregung aufgenommen, die im Vernehmlassungsverfahren verschiedentlich mit Bezug auf die Suchtprävention gemacht worden ist. Generelle Kampagnen und Informationen an die ganze Bevölkerung sollten tatsächlich besser vom Kanton als von den einzelnen Einwohnergemeinden organisiert werden. Das Gleiche gilt auch für die Einrichtung von allfälligen Fachstellen, welche die generelle Prävention unterstützen. Als Bindeglied zur speziellen Prävention geht es in der Prävention auch darum, Angebote und Programme für Menschen in ihren jeweiligen Lebenswelten ("Setting") zu entwickeln. Die spezielle Prävention muss Einzelpersonen erreichen. Diese muss deshalb in erster Linie auf der Ebene der einzelnen Gemeinden stattfinden, wobei aber der Kanton die Einwohnergemeinden fachlich unterstützen soll. Spezielle Prävention besteht insbesondere im Angebot einer Erstberatung, in Massnahmen der Ausbildung und dem Angebot von speziellen Trainings. Dies alles mit dem Ziel, die Menschen zu befähigen, sich einer soziale Gefährdung zu entziehen oder sich aus einer sozialen Notlage zu befreien.

Die Einwohnergemeinden werden nicht mehr verpflichtet, eine umfassende Sozialregion mit ca. 20'000 Einwohnern zu bilden. Sie werden "nur" noch verpflichtet, innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes Sozialregionen für die Sozialhilfe zu bilden. Damit soll der heutige "atomisierte" Vollzug der Sozialhilfe regionalisiert und stärker professionalisiert werden. Dadurch werden zwar nicht grosse Einsparungen bei der Sozialadministration erwartet. Vielmehr besteht mit der Professionalisierung in grösseren Regionen (Richtgrösse neu 12'000 Einwohner beziehungsweise 200-250 Dossiers) die Chance, dass die Gesamtkosten sinken werden; sei es, dass mit Hilfeplänen die Wiedereingliederung beschleunigt wird und dadurch die Dauer der Sozialhilfe verkürzt werden kann oder sei es mit der rechtzeitigen Anmeldung zu Sozialversicherungsleistungen, welche die Höhe der Sozialhilfeleistung minimieren. Erhofft wird, dass die Einwohnergemeinden auch die Anlaufstellen im Bereich der Sozialversicherungen in die Sozialregion integrieren und auf weitere soziale Leistungsfelder ausdehnen. Sofern sich die Einwohnergemeinden in Sozialregionen mit minimal 2.5 Stellen organisieren, sollen die Kosten des Sozialdienstes und der Sozialadministration über den Lastenausgleich abgerechnet werden können.
 
Zur Aufteilung der Finanzierung der Sozialleistungen zwischen Kanton und Einwohnergemeinden wird ausgehend vom bisherigen "Kostenverteiler GASS" ein vereinfachtes Modell vorgeschlagen. Auf der Basis der geforderten Kostenneutralität wird für die Ergänzungsleistungen ein fixer Verteilschlüssel von 30% Kanton : 70% Einwohnergemeinden vorgeschlagen. Dieser neue Verteilschlüssel basiert dem Durchschnitt der Zahlen aus den Jahren 2003 und 2004 (50% Kanton : 50% Einwohnergemeinden) und berücksichtigt neu, dass die bisherigen Verwaltungskosten, welche die Einwohnergemeinden dem Kanton zu zahlen hatten - mit Ausnahme derjenigen an die Ergänzungsleistungen (Verbundaufgabe) - als verrechnet gelten und dass der Kanton neu die Kosten des Massnahmenvollzuges im Umfang von ca. neun Mio. Franken übernimmt. Der Regierungsrat soll diesen Verteilschlüssel periodisch im Abstand von vier Jahren überprüfen und dem Kantonsrat eine Änderung beantragen, wenn sich die Anteile von Kanton und Einwohnergemeinden an den Gesamtkosten der sozialen Aufgaben erheblich verändert haben. Dieser Verteilschlüssel wird zweifellos erst im Rahmen der parlamentarischen Beratungen definitiv festgelegt werden können.

Im Rahmen der Prämienverbilligung sollen unerhältliche Prämien und Kostenbeteiligungen, welche die Einwohnergemeinden zu übernehmen haben, weiterhin als Prämienverbilligung gelten und damit nachträglich über Verlustscheine abgerechnet werden können.

Nicht umgesetzt werden soll zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus finanziellen Erwägungen die Forderung nach Ergänzungsleistungen für einkommensschwache Familien ("Tessiner-Modell").

Die Oberämter sollen weiterhin für die Einwohnergemeinden die Alimentenbevorschussung und das -inkasso besorgen.

Neu findet sich auch eine Bestimmung über die Schulsozialarbeit. Die Einwohnergemeinden können die Schulsozialarbeit in geeigneter Form einführen. Die Integration von schwierigen Schülern in die Volksschule bedarf zunehmend der Unterstützung durch entsprechende Fachpersonen aus der Sozialarbeit und damit als Bindeglied zwischen pädagogischer und schulpsychologischer Arbeit. Diese Fachpersonen sollen deshalb die Schüler, deren Eltern und die Lehrpersonen unterstützen. Wichtig ist, dass schwierige Situationen möglichst frühzeitig erkannt werden und dass rasch und gezielt interveniert werden kann.

Im Hinblick auf die wachsende Internationalität unserer Bevölkerung, müssen die bestehenden Formen des Zusammenlebens zwischen einheimischen und aus dem Ausland zugewanderten Einwohnern, neu bedacht und auf gemeinsame Ziele ausgerichtet werden. Bestimmungen über die Integration der ausländischen Wohnbevölkerung bilden dafür die rechtliche Grundlage. Ziel der Integration der ausländischen Wohnbevölkerung ist einerseits das friedliche Zusammenleben zwischen einheimischer und zugewanderter Wohnbevölkerung, anderseits auch die gleichberechtigte Teilhabe und Mitverantwortung am wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Zusammenleben. Integration verlangt einerseits von den ausländischen Staatsangehörigen die Anerkennung unserer Grundwerte und der demokratisch-rechtsstaatlichen Ordnung, sowie der deutschen Sprache und anderseits von den schweizerischen Staatsangehörigen die Bereitschaft, anderen Kulturen offen und respektvoll zu begegnen.

Der Bereich Menschen mit Behinderungen wird neu gestaltet und damit die Voraussetzung geschaffen, dass auch mit dem Neuen Finanzausgleich Bund - Kantone die Rechtsstellung behinderter Menschen, und ihr Anspruch auf die nötigen Leistungen garantiert ist. Die bisherigen Massnahmen zur Sonderschulung (Gesetz über heilpädagogische Institutionen) sind im Gegensatz zur Vernehmlassungsvorlage vom vorliegenden Gesetzesentwurf nicht betroffen, sie sollen mit einer speziellen Gesetzesvorlage in das Volksschulgesetz überführt werden.

Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen wird zu klären sein, ob unter dem Kapitel Sucht die bis anhin ausgeklammerten besonderen Bestimmungen über Alkohol und Nikotin nach dem vom Kantonsrat überwiesen Auftrag aufzunehmen sind.

In der Sozialhilfe sollen zwar nach wie vor die SKOS-Richtlinien grundsätzlich gelten. Der Regierungsrat behält sich jedoch vor, situativ Anpassungen vorzunehmen (Bandbreiten der Finanzierung, Verbot des Autofahrens).

Quasi als Pendant zur Prävention werden die Sanktionen unter einem eigen Titel hervorgehoben, um die Bestimmungen des Sozialgesetzes durchzusetzen, Missbrauch zu verhindern und zu bestrafen.