Öffentliche Sicherheit und Jugendgewalt – Umfangreiches Massnahmenpaket lanciert
06.07.2006 - Solothurn – Mit der Schaffung eines Jugenddienstes bei der Polizei Kanton Solothurn, dem Einsetzen einer erweiterten Arbeitsgruppe "Jugendgewalt", der Kenntnisnahme des Grundlagenberichts zur Jugendgewalt – mit entsprechendem Auftrag zur Erarbeitung eines Umsetzungskonzeptes - und einer Vernehmlassung von verschiedenen Gesetzesänderungen hat der Regierungsrat ein umfangreiches Massnahmenpaket zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verabschiedet.
Bei der Vorstellung des Massnahmenpaketes stellte Regierungsrat Peter Gomm als Chef des Departementes des Innern klar, dass die gesellschaftliche Entwicklung verlangt, dass sich auch der Staat verstärkt mit neuen Erscheinungsformen der Gewalt auseinandersetzt und es mit den vorgeschlagenen Massnahmen hauptsächlich darum geht, aufgrund geeigneter Massnahmen die Entstehung und die Wiederholung von Gewalt zu verhindern, sowie die Ausübung von Gewalt oder zumindest deren Auswirkungen zu vermindern.
Gleichzeitig betonte er aber, dass unser Strafrecht und die Vollzugsorgane wie Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendanwaltschaft, Gerichte, aber auch Sozialorgane und Sozialdienste bereits heute Garanten dafür seien, dass Gewalt, Gewaltbereitschaft und Gewaltausübung und in Zusammenhang damit die Kriminalität erfolgreich bekämpft werden. Der Staat und damit auch Kanton und Einwohnergemeinden täten bereits vieles. Dieser Aspekt gehe manchmal in der politischen Diskussion fast etwas unter. Es stelle sich deshalb die Frage "Was ist zusätzlich zu tun?"
Im Mai 2006 beauftragte Gomm die Polizei und das Amt für soziale Sicherheit (ASO) aufgrund des Entwurfes zu einem Grundlagenbericht Gewalt - Jugendgewalt und von Diskussionen in der interdepartementalen Steuerungsgruppe Gewalt - Jugendgewalt, zusätzlich zwei strukturelle Massnahmen sofort weiter zu verfolgen
- der Aufbau einer Jugendpolizei/eines Jugenddienstes bei der Polizei Kanton Solothurn
- die Bildung einer Koordinationsstelle Gewaltprävention beim Amt für soziale Sicherheit.
Koordinationsstelle Gewaltprävention
Diese Koordinationsstelle ist mittlerweile mit einem 60%-Pensum im Rahmen des bestehenden Globalbudgets geschaffen worden.
Erweiterte Arbeitsgruppe - Umsetzungskonzept
Gestützt auf die geführten Diskussionen erarbeitete das ASO den nun vorgelegten Grundlagenbericht zu Gewalt - Jugendgewalt, einschliesslich von Empfehlungen. Der Regierungsrat nahm am 4. Juli 2004 davon Kenntnis. Gleichzeitig setzte der Regierungsrat eine erweiterte Arbeitsgruppe ein und beauftragte sie, aufgrund des Grundlagenberichtes bis zum März 2007 ein konsistentes Umsetzungskonzept zur wirksamen Gewaltprävention - aber auch zu weiteren Interventionsmassnahmen und Therapien vorzulegen und dabei
- Leitsätze und Handlungsfelder zu formulieren
- Empfehlungen und Massnahmen vorzuschlagen und deren finanzielle Folgen und notwendigen personellen Ressourcen aufzuzeigen
- Finanzierungsvorschläge zu unterbreiten
- Instrumente vorzuschlagen, mit denen die Wirksamkeit gemessen werden kann
Prävention
Bei der Prävention erweist es sich als erfolgsversprechend, vor allem frühzeitig auf das Sozialverhalten des Individuums in seinen sogenannten Lebenswelten einzugehen. Und diese Lebenswelten sind hauptsächlich
- die Familie
- die Schule - Arbeit
- das soziale Umfeld: Wohnen- Nachbarschaft - Freizeit - Gruppen - Verkehr
- das besondere Umfeld von Migration und Integration
Im Grundlagenbericht finden sich eine Fülle von Empfehlungen, die prüfenswerte Vorschläge enthalten, wie z.B.
- die Durchführung einer Sensibilisierungskampagne (bekanntlich auch Inhalt eines in der letzten Session eingereichten Auftrags)
- Brückenprogramme für Jugendliche die nach Lehrabbrüchen keinen Einstieg mehr in den primären Arbeitsmarkt finden
- Peacemaker an den Schulen
- Erhöhte Sicherheitsvoraussetzungen bei der Durchführung von Events
- Schulische Modelle von Prävention (und Intervention)
- Streetworker
Alle diese Vorschläge sollen durch Fachleute und anschliessend durch die betroffenen Departemente vertieft geprüft werden.
Gomm betonte allerdings, dass es blauäugig wäre zu meinen, nur mit Präventivmassnahmen würden Formen der Gewalt längerfristig gemildert. Es seien auch interventionistische Modelle zu verstärken und im Sanktionsbereich täterorientierte Programme auszubauen.
Teilrevision von Gesetzen zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit
Der Regierungsrat schlägt in einem Gesamtpaket vor, drei Gesetze mit neuen Bestimmungen zu ergänzen, um die Sicherheit und Ordnung, insbesondere im öffentlichen Raum zu erhöhen. Das Vernehmlassungsverfahren dauert bis zum 1. Oktober 2006.
Wegweisung von Personen von bestimmten Orten
Mit den Änderungen des Gesetzes über die Kantonspolizei werden die Rechtsgrundlagen für die Wegweisung von Personen von bestimmten Orten geschaffen.
Polizeiliche Sicherheitsassistent(inn)en und Zusammenarbeit mit dem Grenzwachtkorps
Das Kantonsparlament hat für die Einführung von polizeilichen Sicherheitsassistenten (PSA) ja insbesondere eine gesetzliche Grundlage gewünscht, um den Aufgabenbereich der PSA genau abgrenzen zu können. Dem ist die Regierung nachgekommen und schlägt vor, dass die PSA einfache hoheitliche Sicherheitsaufgaben, wie z.b. die Kontrolle des ruhenden Verkehrs oder allgemeine Überwachungs- und Kontrolltätigkeiten, sowie Präsenzleistungen zur Erhöhung der objektiven und subjektiven Sicherheit auszuführen.
Daneben soll eine entsprechende Gesetzesbestimmung die intensivere Zusammenarbeit der Kantonspolizei mit dem Grenzwachtkorps im Schwarzbubenland ermöglichen. Dort geht es insbesondere darum, dass auch die Angehörigen des Grenzwachtkorps auf gemeinsamer Patrouille hoheitlich handeln können.
Vermummungsverbot
Bei der Änderung des Gesetzes über das kantonale Strafrecht und die Einführung des Schweizerischen Strafgesetzbuches geht es um die gesetzliche Regelung des Vermummungsverbotes.
Videoüberwachung
In der Öffentlichkeit und bei den Gemeinden nehmen Fragen zum Einsatz von Videoüberwachungsanlagen zu. Die Materie ist heikel und der Eingriff in die Privatsphäre oft unterschätzt. Aus Gründen der Rechtssicherheit sind die Antworten in einem kantonalen Rechtserlass zu regeln. Im weiteren hat das Abkommen von Schengen einen gesetzgeberischen Regelungsbedarf im Bereich Datenschutz hervorgerufen. Mit der Änderung des Informations- und Datenschutzgesetzes werden diese Anliegen aufgenommen und umgesetzt.
Verstärkte Polizeipräsenz - Zuständigkeitsregeln
Mit den entsprechenden Gesetzesbestimmungen zu den Sicherheitsassistenten und zur engen Zusammenarbeit mit dem Grenzwachtkorps werden auch die formellen Rechtsgrundlagen geschaffen, damit für die Bevölkerung ersichtlich ist, wer für was zuständig und mit welchen Kompetenzen ausgestattet ist. J
Jugendpolizei - polizeilicher Jugenddienst
Neben diesen Vorschlägen zu Gesetzesänderungen werden auch auf der operativen Ebene Massnahmen eingeleitet. Der Regierungsrat hat einer Änderung der Organisation der Kantonspolizei und der Schaffung eines Jugenddienstes mit Jugendpolizisten zugestimmt.
Bereits vor 4 1/2 Jahren wurde ein Postulat zum Einsatz von speziellen Jugendpolizistinnen und Jugendpolizisten eingereicht. Damals scheiterte diese Idee am Korpsbestand und man ging dazu über, im Bereich der Repression gegenüber der Jugendanwaltschaft polizeiliche Ansprechpartner zu bezeichnen. Knapp fünf Jahre später präsentiert sich eine gänzlich andere Ausgangslage:
- Die Situation betreffend Jugendgewalt hat sich nicht entschärft. Zwar sind statistisch keine signifikanten Zunahmen über das ganze Spektrum der Delikte wahrzunehmen. Die Gewalt hat sich indessen an Einzelereignissen gegen Leib und Leben akzentuiert. Die Art und Weise der ausgeübten Gewalt beunruhigt die Gesellschaft und verlangt auch in diesem Bereich nach Massnahmen.
- Der Korpsbestand ermöglicht kurzfristig die Einführung von Jugendpolizisten, mittelfristig werden die Jugendpolizisten über eine Korpserhöhung geschaffen.
- Die Erfahrungen in anderen Kantonen mit Jugendpolizisten, welche sowohl interventionistisch wie präventiv arbeiten, sind durchwegs positiv.
- Mit einer Spezialisierung betreffend Jugenddelikten kann dem speziellen Jugendverhalten und –umfeld besser Rechnung getragen werden.
- Daneben ermöglichen die konzentrierten Informationen auf einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kantonspolizei ein effizienteres Ermitteln. Sie können unter Umständen dazu dienen, Straftaten zu verhindern und die Zusammenarbeit mit der Jugendanwaltschaft zu erleichtern.
Der Regierungsrat ist überzeugt, dass die vorgeschlagenen oder bereits getroffenen Massnahmen zur Erhöhung der Sicherheit beitragen. Gleichzeitig müsse man sich aber vor Augen halten, dass Gewalt immer vorhanden sein werde. Die gewaltlose Gesellschaft gebe es nicht. Er ist sich aber auch bewusst, dass der Staat nicht alles regeln könne. Für vieles würden die Weichen schon zuhause, in der Familie gestellt. Ohne die Wahrnehmung einer erhöhten Eigenverantwortung der Eltern in diesem Bereich gehe es nicht.
- grundlagenbericht jugendgewalt def (pdf, 215 KB)