Das Kantonale Kuratorium für Kulturförderung und die SIA Sektion Solothurn führten dieses Jahr im Auftrag des Regierungsrats den zehnten Wettbewerb «Auszeichnung für Baukultur» durch. Zum Wettbewerb zugelassen waren Werke aus den Fachbereichen Architektur, Bauingenieurwesen, Landschaftsarchitektur, Planung und aus weiteren Disziplinen der Bereiche Technik und Umwelt sowie Kunst und Bau, die im Zeitraum von Juni 2022 bis Mai 2025 realisiert wurden.
Aus den 54 eingereichten Projekten hat die Jury zwei Projekte ausgezeichnet sowie sechs weiteren eine Anerkennung verliehen. Die Auszeichnungen und Anerkennungen wurden am 5. November 2025 im Museum Altes Zeughaus in Solothurn im Beisein von Regierungsrat Mathias Stricker, Vorsteher des Departementes für Bildung und Kultur, sowie Solothurns Stadtpräsidentin Stefanie Ingold übergeben. Die Eingaben sind vom 6. bis zum 16. November 2025 in einer Ausstellung im Museum Altes Zeughaus Solothurn zu sehen. Zudem ist den gewürdigten Objekten ein Katalog gewidmet, in welchem auch alle weiteren eingereichten Projekte dokumentiert werden.
Die «Auszeichnung für Baukultur» 2025 wurde für folgende Objekte verliehen:
Neubau Wohn- und Gewerbehaus, «Turbinenhaus», Derendingen
Bauherrschaft: Emmenhof Immobilien AG, Derendingen; Architektur: Atelier NU, Zürich
Kehrichtverwertungsanlage und Photovoltaik-Kraftwerk, «Kebag Enova», Zuchwil
Bauherrschaft: kenova AG, Zuchwil; Architektur: Penzel Valier, Zürich
Folgende sechs Projekte erhalten 2025 Anerkennungen:
Gesamtsanierung und Erweiterung Schulanlage Vorstadt, Solothurn
Bauherrschaft: Stadtbauamt Solothurn, Abteilung Hochbau; Architektur: ARGE wahlirüefli rolllimarchini, Bern; Landschaftsarchitektur: Hänggi Basler Landschaftsarchitektur, Bern
Gesamtsanierung Schulanlage Wildbach, Solothurn
Bauherrschaft: Stadtbauamt Solothurn, Abteilung Hochbau; Architektur: spaceshop Architekten, Biel
Neubau Schulanlage Kleinholz, Olten
Bauherrschaft: Stadt Olten, Direktion Bau; Architektur: neff neumann architekten, Zürich
Landschaftsarchitektur: Studio Vulkan Landschaftsarchitektur, Zürich
Neubau Schiebetürenpavillon Breitenrüti, Nuglar
Bauherrschaft: Gemeindeverwaltung Nuglar-St. Pantaleon; Architektur: Piertzovanis Toews, Basel
Bauherrschaft: Römisch-katholische Kirchgemeinde, Neuendorf; Architektur: Luna Productions, Deitingen
Neubau Bienenskulptur Goetheanum, Dornach
Bauherrschaft: Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft, Dornach; Kunst: Barbara Schnetzler, Bildhauerin, Basel; Architektur / Bauleitung: Studio Balthasar Wirz, Basel
Die Projekte sind vom 6. bis zum 16. November 2025 in einer Ausstellung im Museum Altes Zeughaus Solothurn zu sehen (reguläre Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 13 bis 17 Uhr, Sonntag 10 bis 17 Uhr; erweiterte Öffnungszeiten exklusiv für die Ausstellung «Auszeichnung für Baukultur»: Freitag, 7. und 14. November 2025, bis 20 Uhr, Dienstag, 11. November 2025, bis 20 Uhr)
Die Mitglieder der Jury
- Stephan Herde, Landschaftsarchitekt BSLA SIA Executive MBA, Krebs und Herde Landschaftsarchitekten BSLA, Winterthur
- Aita Flury, dipl. Arch. ETH SIA BSA, Aita Flury Architektur GmbH, Zürich
- Andrea Pedrazzini, ing. civile dipl. ETHZ/SIA/OTIA, ingegneri pedrazzini guidotti sagl, Lugano
Die ausgezeichneten Projekte – Würdigung der Jury:
TURBINENHAUS DERENDINGEN
Architektur: Atelier NU, Zürich
Projekt: Neubau Wohn- und Gewerbehaus, Spinnereiplatz 2, Derendingen
Bauherrschaft: Emmenhof Immobilien AG, Derendingen
Architekturfotografie: Federico Farinatti, Zürich
Die Rotation macht’s möglich
Das Mehrfamilienhaus nimmt aus der Umgebung das allseits Beste auf: Stellung, Geometrie und Volumetrie sind direkt aus seiner Lage abgeleitet. So profitieren die Ausblicke aus den verschiedenen Etagen vom Naherholungsgebiet entlang von Kanal und Emme, von der ruhig strukturierten Fassade der Spinnerei sowie von der Aussicht über das neue Quartier und zum Kraftwerk. Als Teil der vorletzten Etappe in der Entwicklung des Emmenhof-Areals nimmt der Neubau intensiv Bezug auf das ehemalige Industriegebiet.
Auf acht Geschossen sind 24 Mietwohnungen von acht verschiedenen Typen angelegt, wobei jede einzelne auf mindestens drei Seiten Fenster aufweist. Acht erstrecken sich auf zwei Niveaus, wiederum vier davon besitzen ein abgesenktes Splitlevel. Die Wohnungswelt spiegelt in ihren Variationen auch Lebensentwürfe, die Wohnen und Arbeit miteinander verzahnen. Offene Küchen gehen über in Aufenthaltszonen, Schlafzimmer liegen als intimere Räume meist näher am Gebäudekern. Nebst den hochwertigen Wohnungen beantwortet das Haus auch den Bedarf nach gemeinschaftlich nutzbaren Räumen. Die nicht tragenden Wände von Gewerberäumen und Restaurant im Erdgeschoss erlauben künftig Öffnungen in Richtung Spinnereiplatz. Allen Quartierbewohner/innen stehen begrünte Dachgärten zur Verfügung; der Raum mit Küche bei der westwärts ausgerichteten Terrasse kann individuell für Anlässe reserviert werden.
Das Turbinenhaus gewinnt seinen inneren Antrieb aus dem Prinzip der Drehung. Die Lust, vom rechten Winkel abzuweichen, schreibt jeder Wohneinheit einen Anteil der grossen Bewegung ein. Die Idee der rotierenden Turbinenschaufel zieht sich weiter im Innenausbau, bei Leuchten oder den Türgriffen der Einbauküchen. Nach aussen gibt sie dem Haus einen irregulären Grundriss mit – und damit eine Fassade, die sich optisch nirgends ganz verschliesst.
Dem Atelier NU aus Zürich ist mit dem architektonischen Erstling ein Coup gelungen, der ein städtisches Wohngefühl in die Agglomerationsgemeinde Derendingen transportiert. Die konventionelle Betonkonstruktion ist im Innern an vielen Stellen roh belassen. Die äussere Aluminiumhülle, spitz gefalzt, spielt an auf die ehemals industrielle Arealnutzung, nimmt in der Reflexion die Farben der Umgebung an, vermittelt in ihrer vertikalen Struktur Leichtigkeit. Die senkrechten Storen sind blau, jene für Sonnenschutz gelb, rote Handläufe verweisen noch einmal auf ein Farbkonzept, das schon im zentralen Treppenhaus ins Auge fällt: Der Beton ist in dunklem Rot lasiert und mit Klarlack versiegelt. Die Referenz an einen Maschinenraum wird abgefedert vom Maschendraht, der den Schacht als Geländer und Absturzsicherung umspannt. Als weitere Anspielung auf das «passé» der Industriekultur kokettiert ein rundes Oblicht mit der Öffnung eines Hochkamins.
Der Neubau steht selbstbewusst an der Arealgrenze, in Rücksicht auf den natürlichen und sozialen Umraum: Durchlässig in seiner äusseren Erscheinung, wartet das Haus im Inneren mit überraschenden Perspektiven auf. Das ortspezifische Bild der Turbine streckt seine Schaufeln vom inneren Kern bis zur Materialisierung der Fassade. Ein dynamisches Prinzip, das doch Ruhe bewahrt – mit Gewinn für alle.
KEBAG ENOVA ZUCHWIL
Architektur: Penzel Valier, Zürich
Projekt: Kehrichtverwertungsanlage und Photovoltaik-Kraftwerk, Emmenspitz, Zuchwil
Bauherrschaft: kenova AG, Zuchwil
Architekturfotografie: Bruno Augsburger, Zürich
Architekturskulptur am Jurasüdfuss
Die kenova AG in Zuchwil verwertet den brennbaren Abfall aus 178 Gemeinden der Kantone Bern und Solothurn, ergänzt um Marktabfall aus der ganzen Schweiz. Mit dieser Aufgabe positioniert sich das Unternehmen als grösster Stromproduzent der Region. Seit einigen Monaten nimmt die kenova AG etappenweise ihren imposanten Neubau in Betrieb, der diese Kapazität noch erhöht: Sein Herzstück wird von einer PV-Anlage gefasst und bildet so einen dunklen Kubus, der sich als schlichte Form in eine Skulptur aus Beton einpasst.
Mit der neuen Anlage vollzieht sich eine Veränderung im Blick auf die Infrastruktur der Entsorgung. Kehrichtverbrennung ist zur Wertschöpfung avanciert, deren Wirtschaftlichkeit auf Strom und Wärme basiert. Die ruhige und zugleich kraftvolle Gesamtform der neuen Kehrichtverwertungsanlage ist in der Aareebene von weithin sichtbar. Das plastische Bauwerk zeigt eindrucksvoll, wie sich ein Infrastrukturbau mit summarischen gestalterischen Mitteln in die Landschaft integriert und seine räumliche Wirkung entfaltet.
Penzel Valier Architekten setzen mit dem Ersatzneubau auf einen Baukörper, der die vier Hauptbereiche von Bunker, Prozessgebäude, Flugaschewaschanlage und Verwaltung zum kompakten Volumen zusammenfasst. Das von PV-Modulen umhüllte Prozessgebäude wird als funktionale Mitte ausgewiesen: Die auf den hellen Beton aufgesetzte «Maschine» wird durch ein Fensterband vom Gebäudesockel abgehoben. Je nach Lichtverhältnissen vermittelt diese Öffnung eine Ahnung vom Getriebe im Maschinenraum. Natursteinbänder aus Jurakalk strukturieren und veredeln die Betonfassade. Der 80 Meter hohe Kamin ist mit einer Aussichtsterrasse versehen. Mit seiner Plastizität, dem Kamin und dem markanten schwarzen Block ist nahe der Aare und der Stadt Solothurn ein Bauwerk von hohem Wiedererkennungswert entstanden.
Die neue Kehrichtverwertungsanlage und das Photovoltaik-Kraftwerk haben längst ein grosses öffentliches Interesse ausgelöst. Rundgänge durch die mächtige Anlage sind an der Tagesordnung und verdeutlichen, was eine 140 Tonnen schwere Kondensationsturbine leistet, welches Volumen die Bunker fassen, mit welch technischer Spitzenleistung Heizbetrieb, Lüftung und Löschanlage synchronisiert sind und mit welchen Sicherheitsdispositiven hier rund um die Uhr gearbeitet wird. Die Aufmerksamkeit für den noblen Bau dürfte weiter das Image korrigieren, das der Kehrichtverbrennung anhaftet, als stinkendem Verdauungsapparat für die Relikte unserer Zivilisation. Der hoch technisierte Betrieb, zentral gesteuert und digital überwacht, ist das Ergebnis einer langjährigen Planung und multidisziplinären Zusammenarbeit.
Der Ersatzneubau in Zuchwil reagiert auf die hoch komplexe Anlage für Kehrichtverwertung und Kraftwerk mit einer Geste, die der Infrastruktur Klarheit und Klassizität verleiht. Der langjährige Dialog zwischen Bauherrschaft und Architektur galt einer Abstimmung, die das technische Innere mit der Ästhetik der baulichen Hülle vereint.