Hintergrund: Gemäss Kantonsratsgesetz hat die Ratsleitung bei jedem eingereichten Volksauftrag zu prüfen, ob er einen zulässigen Inhalt aufweist. Was als zulässig gilt, wird in der Kantonsverfassung und im Gesetz über die politischen Rechte geregelt
Eine Vorprüfung hat die Ratsleitung mit dem am 13. Januar 2023 eingereichten und von 142 Personen unterzeichneten Volksauftrag «Ausgleichskasse Kanton Solothurn: Verwaltungsrat sofort absetzen!» vorgenommen. Die Ratsleitung hat dabei festgestellt, dass der Volksauftrag gleich mit fünf Gesetzesbestimmungen in Widerspruch steht. Aus diesem Grund wird dem Kantonsrat die Ungültigerklärung beantragt.
Mit der ultimativen Forderung nach sofortiger Absetzung des Verwaltungsrats der Ausgleichskasse verlangt der Vorstosstext etwas, das über die verfassungsmässigen Kompetenzen des Parlaments hinausgeht. Ausserdem werden mit der Stossrichtung des Volksauftrags minimale bundesrechtliche Verfahrensgarantien verletzt. Zudem betrifft der Vorstoss sowohl Wahlgeschäfte als auch Personalangelegenheiten (Disziplinarmassnahmen) – zwei Bereiche, für welche das Gesetz ausdrücklich den Volksauftrag verbietet. Weiter bezieht sich der Volksauftrag auch auf den Bereich der parlamentarischen Oberaufsicht, für den spezifische Instrumente der Geschäftsprüfungskommission vorgesehen sind. Ein vom Ratsplenum zu behandelnder Vorstoss ist dafür das falsche Instrument.
Der Entscheid der Ratsleitung bezieht sich ausschliesslich auf die im Rahmen der Vorprüfung zu klärenden Fragen und stellt keine inhaltliche oder politische Würdigung des Vorstosses dar. Im Rahmen des Antrags der Ratsleitung wurde den Verfasserinnen und Verfassern des Volksauftrags auch das rechtliche Gehör gewährt.
Der Kantonsrat wird an der nächsten Session vom 9., 10. und 17. Mai 2023 über die Ungültigkeit entscheiden, wie die Vorprüfung durch die Ratsleitung nahelegt. Folgt der Kantonsrat dem Antrag der Ratsleitung, wird der Volksauftrag abgeschrieben. Erachtet er den Volksauftrag hingegen als gültig, wird dieser an den Regierungsrat und eine parlamentarische Kommission zur Vorberatung überwiesen und kommt anschliessend in den Kantonsrat zur Beschlussfassung.