Oktober 2022

Ausgezeichnete Solothurner Architektur in Nuglar

  • 31.10.2022

Bereits zum neunten Mal hat der Solothurner Regierungsrat den Priisnagel 2022 – die «Architektur-auszeichnungen Kanton Solothurn» – vergeben. Ausgezeichnet wurde ein Architekturprojekt in Nuglar. Vier Projekte erhielten Anerkennungen.

Das Kantonale Kuratorium für Kulturförderung und der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein Solothurn (SIA Solothurn) führten dieses Jahr im Auftrag des Regierungsrates den Wettbewerb «Priisnagel – Architekturauszeichnungen Kanton Solothurn 2022» durch. Zum Wettbewerb zugelassen waren Hoch- und Tiefbauten, technische Bauwerke und Anlagen, Freiraumgestaltungen, Neu- und Umbauten, Planungen, sowie Werke aus dem Bereich der Kunst, soweit sie in ihrer Gesamtheit einen massgebenden Einfluss auf das Konzept oder den Entwurf des Projektes hatten. Berücksichtigt wurden Projekte, die zwischen Juni 2019 und Mai 2022 im Kanton Solothurn realisiert wurden.

Aus den 35 Eingaben hat die Jury ein Projekt ausgezeichnet sowie vier weiteren eine Anerkennung verliehen. Die Auszeichnung und Anerkennungen wurden am 2. November 2022 im Kunsthaus Grenchen im Beisein von Landammann Dr. Remo Ankli bekanntgegeben. Die Eingaben sind bis zum 13. November 2022 in einer Ausstellung im Kunsthaus Grenchen zu sehen. Zudem ist den gewürdigten Objekten ein Katalog gewidmet, in welchem alle weiteren eingereichten Projekte erwähnt werden.

Die «Architekturauszeichnung Kanton Solothurn» 2022 geht an:

  • Umbau und Teilersatz Wohnatelierhaus Altes Weinlager, Nuglar, Bauherrschaft: Hürzeler Holzbau AG, Magden; Architektur: lilitt bollinger studio gmbh, Nuglar

 

Die Anerkennungen 2022 wurden vergeben an:

  • Neubau Werkhalle Ron AG, Härkingen, Bauherrschaft: Ron AG/Ronal Group, Härkingen; Architektur: Dual & De Angelis Architekten, Solothurn
  • Erweiterung Primarschulhaus, Niederbuchsiten, Bauherrschaft: Einwohnergemeinde Niederbuchsiten; Architektur: H­O Oegerli Markus Architekten SIA AG, Olten
  • Umbau Chalet, Solothurn, Bauherrschaft: Christian Vogel und Sina Thoma, Solothurn; Architektur: Seraina Thoma Architektur, Solothurn/Zürich
  • Neubau Derendingen Mitte, Derendingen, Bauherrschaft: Einwohnergemeinde Derendingen; Architektur: ern+heinzl Architekten, Solothurn

 

Die Projekte sind in einer Ausstellung im Kunsthaus Grenchen bis zum 13.  November zu sehen.

Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag, 14 bis 17 Uhr, Sonntag 11 bis 17 Uhr Montag bis Dienstag geschlossen.

 

Die Mitglieder der Jury

  • Dr. Ulrike Schröer, dipl. Architektin SIA, Basel und Professorin für Architektur und Entwurf BFH-AHB Burgdorf
  • Peter Makiol, dipl. Holzbau-Ingenieur HTL SIA, Beinwil am See
  • Stephan Herde, Landschaftsarchitekt BSLA SIA, Winterthur

 

Das ausgezeichnete Projekt – Würdigung der Jury:

 

WOHNATELIERHAUS ALTES WEINLAGER

Architektur: lilitt bollinger studio gmbh, Nuglar

Projekt: Umbau und Teilersatz Wohnatelierhaus Altes Weinlager,

Liestalerstrasse 12, Nuglar

Bauherrschaft: Hürzeler Holzbau AG, Magden

 

Ein Bau mit Geschichte und Zukunft

Als noch über 10 000 Kirschbäume in und um das Dorf wuchsen, waren die Produktion und der Vertrieb von Kirsch Teil des wirtschaftlichen Selbstverständnisses von Nuglar. Zum Dorfbild gehört seit 1956 auch das Lager der Schnapsbrennerei Urs Saladin, das neben der Schule das grösste Gebäude der Gemeinde ist und selbstbewusst in seiner Mitte steht. In den 90ern schloss die Schnapsbrennerei, danach blieb das Lager leer. Nun wurde es wiederbelebt – und damit neues Leben ins Zentrum gebracht.

Wie das alte ist auch das neue Gebäude ein massiges Volumen, in das heute sechs nebeneinander liegende Wohneinheiten passen. Der Kellersockel und die seitlichen Aussenwände des alten Gebäudes formen die Plattform, auf der die Architektin Lilitt Bollinger das neue Wohngebäude entwarf. Dazu mussten die inneren Strukturen der Obergeschosse abgebrochen werden, was erlaubte, den Grundriss so zu reduzieren, dass ein grosser, durch das auskragende Dach gedeckter Aussenraum entstand.

Während der Wohnungsraum im Privatbesitz der einzelnen Parteien ist, gehört der Aussenbereich allen. Die Bewohnerinnen und Bewohner besitzen und gestalten gemeinsam die Aussenflächen sowie den alten Keller, der jetzt Hobbyraum, Einstellhalle und Werkstatt zugleich ist. Die Vorteile der ländlichen Lage, kombiniert mit einem urbanen Wohnstil: Dieser Bau vereint zwei Ansprüche gekonnt zu einem ganzheitlichen, zeitgemässen Wohnkonzept.

Raumhohe Verglasungen öffnen die Wohnungen nach Ost und West und sorgen dafür, dass die 14 Meter langen und rund viereinhalb Meter schmalen Räume licht und leicht wahrgenommen werden – die weite Aussicht ins Grün lässt die Räume zusätzlich grosszügiger erscheinen. Auch die Raumhöhe trägt zur angenehmen Wohnatmosphäre bei, die durch die Materialisierung von teilweise farbig lasiertem Fichtenholz und Beton noch unterstützt wird.

Wie genau die Innenräume der Wohneinheiten aussehen, das bleibt den Bewohnerinnen und Bewohnern überlassen: Jede Wohnung kann an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden. Ein modulares System erlaubt einfaches Aus­ und Weiterbauen des Wohnraums. So können verschieden grosse Galerien geschaffen werden. Diese Bauweise lässt nicht nur viele individuelle Varianten zu, sondern verwischt auch die Grenzen zwischen dem Entwurf der Architektin und dem Selbstbau: «So habe ich mir das vorgestellt», sagte Lilitt Bollinger im Architekturmagazin «Hochparterre». «Ich bin gespannt, wie die Menschen die Wohnungen weiter umbauen.»

Bis auf den gegossenen Betonboden, der auf dem alten Kellersockel steht, ist das neue Gebäude ein reiner Holzbau. Er grenzt sich optisch vom Rest des alten Gebäudes ab, etwa von der Wandmalerei an der Aussenwand, die bewusst stehen gelassen wurde und auf die Vergangenheit des Baus verweist. Während die alten Oberflächen die Spuren der letzten rund 50 Jahre widerspiegeln, verweist alles Neue auf das Jetzt und den künftigen Nutzungszyklus des Gebäudes.

Der Anspruch der Architektin, die Vergangenheit und Geschichte des alten Lagers zu bewahren, ist gelungen. Dass das markante Gebäude weiterhin zum Dorfbild gehört und in einem nahezu identischen städtebaulichen Kontext auch in Zukunft erhalten bleiben wird, ist dem Um- und Aufbau des Wohnatelierhauses zu verdanken.