Regelmässig im Dezember veröffentlicht das Amt für Denkmalpflege und Archäologie seinen Jahresbericht unter dem Titel «Archäologie und Denkmalpflege im Kanton Solothurn». Der erste Beitrag präsentiert neue Entdeckungen zum frühmittelalterlichen Rodersdorf: Im Kleinbüel am Rande des Dorfes kamen 2022 die Überreste einer Siedlung zum Vorschein. Auffälligster Fund war ein Sodbrunnen aus dem 7. Jahrhundert n. Chr. Der noch knapp 3 Meter tiefe Brunnenschacht bestand im unteren Teil aus einem einzigen, im Inneren ausgehöhlten Stamm einer Weisstanne. Damit wurde in der Nordwestschweiz erstmals ein solcher Baumstammbrunnen aus dem Frühmittelalter entdeckt.
Neues Licht auf das mittelalterliche Städtchen Fridau
Bislang war über das mittelalterliche Städtchen Fridau bei Fulenbach kaum etwas bekannt, denn das Areal des Städtchens am linken Aareufer wurde im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert durch den Kiesabbau zerstört. Eine zufällig entdeckte Sammlung von Altfunden im Dorfmuseum Fulenbach bot nun Anlass, die Geschichte des Städtchens aufzuarbeiten. Die gut 450 Objekte, die Roman Candio vor über 75 Jahren als Jugendlicher in der Kiesgrube aufgelesen hatte, gehören heute zu den einzigen Bodenfunden aus dem Städtchen. Roman Candio, ein heute in Solothurn lebender Kunstmaler, konnte nach all den Jahren sogar noch die Fundsituation skizzieren.
Eingemauerter Münztresor – freigespülte «Ribimühle»
Im Originalzustand erhaltene Tongefässe, wie sie aus Kestenholz in Form eines Wandbrunnens und eines Topfes vorliegen, sind in der Archäologie sehr selten. Beide Behältnisse gelangten aus einer Privatsammlung in die Bestände der Kantonsarchäologie. Besonders ist die Geschichte des Wandbrunnens: Nachdem er als Wasserbehälter zum Händewaschen ausgedient hatte, wurde er im 17. Jahrhundert als Münztresor in eine Wand eingemauert und blieb so sicher bewahrt.
Im Sommer 2021 wurde im Buchegger Ortsteil Brügglen am Ufer des Mülibachs eine Holzkonstruktion freigespült. Der Rost aus massiven Holzbalken gehört zu einer aus alten Karten und Schriftquellen bekannten Ribimühle aus dem späten 17. Jahrhundert. Hier wurden bis ins 19. Jahrhundert auf einem Reibbett die Stängel von Flachs und Hanf zerdrückt, um Fasern für Stoffe und Seile zu gewinnen.
Explodierte Kanone – verlorene Geldbörse
Ein ungewöhnlicher Fund wurde im Martinsfluewald bei Rüttenen entdeckt: Das 2,5 Kilogramm schwere Bronzestück stammt von einer Kanone aus dem 17. Jahrhundert. Wahrscheinlich ist das Geschütz bei einem Probeschiessen in der Übungsschanze der Solothurner Artillerie im sogenannten Franzoseneinschlag explodiert.
2022 kam auf der Banegg oberhalb von Lostorf ein Münzhort mit 19 Zürcher Schillingen des 17. und 18. Jahrhunderts zum Vorschein. Es handelt sich wohl um den Inhalt einer Geldbörse, die kurz nach 1730 im Jura verloren ging oder verborgen wurde. Weshalb der Besitzer oder die Besitzerin abseits der Verkehrswege im Wald mitten im Jura fern jeglicher Siedlung unterwegs war, bleibt ein Geheimnis.
Grundsätzliche Anliegen der Denkmalpflege
Die kantonale Denkmalpflege stellt den Artikeln im Vorwort einen Aufruf wider die zahlreichen Hausabbrüche voran. Diese vernichten nicht nur wertvolle historische Substanz, sondern sind auch ökologisch bedenklich. Die Denkmalpflege fordert ein Umdenken und ruft dazu auf, wertvolle Gebäude umzubauen statt durch allzu oft anspruchslose Architektur zu ersetzen. Im Denkmalpflegeteil des Heftes folgen zwei Beiträge zu Themen, die den ganzen Kanton betreffen, und fünf umfangreichere Berichte zu kürzlich abgeschlossenen Restaurierungen – von einem Pächterhof über Gewerbebauten und Gasthäuser bis zum Solothurner Zeitglockenturm und seinem Uhrwerk.
Im ersten Beitrag zeigt Angela Kummer, Leiterin der Fachstelle Kulturgüterschutz, auf, dass präventive Massnahmen das A und O bei der Erhaltung von Kulturgut sind. Die Kulturinstitutionen haben die Aufgabe, gut funktionierende Notfallmassnahmen zu treffen. Wie die Fachstelle Kulturgüterschutz (KGS) und der Zivilschutz Kanton Solothurn dabei helfen, ist Thema des Artikels.
Im zweiten Beitrag widmet sich Bauforscher Christoph Rösch dem Mansarddach, einer aus Frankreich übernommenen Dachform: Mansarddächer fallen in Altstädten, in Dörfern oder als Einzelbauten in der Landschaft dadurch auf, dass sie eine ungewohnte Form haben und in verhältnismässig geringer Anzahl zu finden sind. In den Jahren 2021/2022 konnten drei Gebäude mit solchen Dächern in der Stadt Solothurn und der Umgebung bauhistorisch dokumentiert werden. Sie zeugen von der Anwendung dieser Dachform auf Bauten ganz unterschiedlicher Funktion und geben Auskunft über den gesellschaftlichen Anspruch der Eigentümerschaft.
Querschnitt durch die Arbeit der praktischen Denkmalpflege
Die Restaurierung eines dieser Mansarddach-Häuser ist Thema des anschliessenden Beitrags. In Biberist steht gleich an der südlichen Solothurner Stadtgrenze der 1819 errichtete Pächterhof des Schlösschens Vorder-Schöngrün. Ein mächtiges Mansarddach und eine grosse Hocheinfahrt weisen auf die spezielle Funktion hin. Das lange vom Abbruch bedrohte Vielzweckbauernhaus zeigt sich heute dank beharrlicher Denkmalpflege und aufgeschlossener Eigentümerschaft als sorgsam restauriertes Baudenkmal.
In der Gemeinde Buchegg war der «Sternen» in Gossliwil während 210 Jahren ein bekanntes Wirtshaus in herkömmlicher, währschafter Art. Nachdem das Traditionshaus seine Tore 2014 endgültig schloss, ist es sorgfältig und mit viel Herzblut restauriert worden. Im Erd- und im Obergeschoss des ursprünglichen Wohn- und Restaurantteils befinden sich nun je eine grosszügige Wohnung mit viel Charme und Atmosphäre, und im Dachgeschoss ist eine neue Wohneinheit entstanden. Im Tenn befindet sich das Treppenhaus, während der übrige Ökonomietrakt lediglich saniert wurde.
An der Weissensteinstrasse in Oberdorf fristete ein kleiner gewerblicher Bau neben einer Natursteinbrücke bis 2021 ein unscheinbares Dasein – schlicht, aber als Kulturgut und Ensemble von hohem Wert. Ein schmaler Bach schlängelt zwischen Häuschen und Strasse ins Tal, die Brücke ist der einzige direkte Zugang. Die Denkmalpflegerin Sara Schibler stellt den aus der Zeit gefallenen Bau vor, der projektleitende Zimmermann Moritz Schiess schildert eingehend die sorgsame Restaurierung von Haus und Brücke.
Schliesslich berichtet der kantonale Denkmalpfleger Stefan Blank in zwei reich bebilderten Aufsätzen über die Restaurierung des Zeitglockenturms in Solothurn – dem ältesten, einem der repräsentativsten und wohl auch dem unterhaltsintensivsten Gebäude der Stadt. Rund 20 Jahre nach der letzten Restaurierung waren erneut umfassende Massnahmen an der Gebäudehülle und am Uhrwerk notwendig.
Dem Uhrwerk ist ein eigener Aufsatz gewidmet. 1554/55 durch den Winterthurer Laurenz Liechti geschaffen, gilt es als Meisterwerk der Uhrwerkskunst. Die beeindruckende Mechanik dreht noch heute zuverlässig Uhrzeiger, sorgt für regelmässigen Glockenschlag und bewegt symbolhafte Figuren. In Wort und Bild erklärt der Beitrag das komplexe Uhrwerk und thematisiert die Restaurierung von 2022.
Den Abschluss des Heftes bilden elf Kurzberichte zu weiteren Restaurierungen und Baudokumentationen sowie der umfassende Tätigkeitsbericht der Denkmalpflege über das Jahr 2022.
Der Jahresbericht kann per sofort bezogen werden und ist ebenso online verfügbar unter so.ch/adso
Bibliografische Angaben
«Archäologie und Denkmalpflege im Kanton Solothurn 28, 2023» Herausgegeben vom Amt für Denkmalpflege und Archäologie, ISBN 978-3-9525441-1-2 / ISSN 1422-5050, Umfang 148 Seiten, broschiert, Preis CHF 20.–
Zu beziehen im Buchhandel oder beim Amt für Denkmalpflege und Archäologie, Werkhofstrasse 55, 4509 Solothurn