Dezember 2021

Umsetzung Initiative «Jetz si mir draa» nicht finanzierbar

  • 21.12.2021

Der Regierungsrat beschliesst zusammen mit der Umsetzung der Initiative «Jetz si mir draa» einen Gegenvorschlag, der gezielt Familien sowie tiefe und mittlere Einkommen entlasten will und im Unterschied zur Initiative für die öffentliche Hand finanziell tragbar ist.

Nachdem die Steuersenkung in der Höhe von rund 64 Millionen Franken im Gegenvorschlag zur Initiative «Jetz si mir draa» in der Vernehmlassung mehrheitlich ohne Vorbehalt auf Zustimmung gestossen ist, hält der Regierungsrat auch in seiner definitiven Vorlage zuhanden des Kantonsrates daran fest. Folgende beiden Punkte sind dabei zentral:

  • Tiefe und mittlere Einkommen sollen mit einem neuen Einkommenssteuertarif steuerlich entlastet werden.
  • Familien mit Kindern sollen gezielt bei der Einkommenssteuer entlastet werden, indem der Kinderabzug von heute 6'000 auf neu 9'000 Franken erhöht wird.

Einzig beim Pendlerabzug nimmt der Regierungsrat eine Änderung vor und beschränkt diesen auf 7'000 Franken (in der Vernehmlassungsvorlage war ein Abzug von 6'000 Franken für die Arbeitswegkosten vorgesehen). Aktuell ist dieser im Kanton Solothurn unbegrenzt.

Begrenzung des Pendlerabzugs

Aktuell können Erwerbstätige im Kanton Solothurn die Kosten des Arbeitswegs vollständig vom steuerbaren Einkommen abziehen. Beim Bund sowie bei den Nachbarskantonen ist dieser Abzug jedoch begrenzt. Der Regierungsrat schlägt neu eine Deckelung bei 7'000 Franken, anstatt von 6'000 Franken wie noch in der Vernehmlassung, vor. Von einer Deckelung auf 7'000 Franken sind rund 12'100 Steuerpflichtige betroffen. Sie führt zu einem Steuermehrertrag von 4.1 Mio. Franken (Staatssteuer) und 4.6 Mio. Franken (Gemeindesteuer).

Auftrag des Kantonsrats

Hintergrund: Der Kantonsrat hatte die Initiative am 2. September 2020 angenommen und gleichzeitig vom Regierungsrat die Ausarbeitung eines Gegenvorschlags verlangt. Der Gegenvorschlag sollte einerseits eine Senkung der Einkommenssteuer bei tiefen und mittleren Einkommen sowie eine Begrenzung des Pendlerabzugs beinhalten. Ausserdem sollte der Gegenvorschlag zudem die Revision der Katasterschätzung vorsehen. Die Revision der Katasterschätzung wird in einer separaten Vorlage umgesetzt, die der Regierungsrat am 6. Dezember 2021 in die Vernehmlassung geschickt hat.

Stärkere Entlastung als bei der Initiative ab 2023

Der Gegenvorschlag geht ab 2023 gezielt weiter als die Initiative «Jetz si mir draa». Diese verlangt für alle Steuerpflichtigen ab 2023 - in einem ersten Schritt -eine Steuerbelastung von maximal 20 Prozent über dem Durchschnitt aller Kantone. In einem zweiten Schritt - ab 2030 – soll die Steuerbelastung im Kanton Solothurn dem Durchschnitt der Kantone entsprechen.

Mit dem neuen Einkommensteuertarif des Gegenvorschlags und der darin enthaltenen Erhöhung des Kinderabzugs auf 9'000 Franken wird eine Steuerbelastung erreicht, die für kleine und mittlere Einkommen sowie Familien mit Kindern tiefer ist als von der Initiative im ersten Schritt verlangt wird. Zudem würde der Kanton Solothurn damit bei der Steuerbelastung von Familien mit Kindern mit dem Nachbarskanton Basel-Landschaft in etwa gleichziehen.

Im Unterschied zur Volksinitiative kann mit dem Gegenvorschlag das angestrebte Ziel, nämlich die steuerliche Entlastung der tiefen und mittleren Einkommen, erreicht werden, ohne den Finanzhaushalt von Kanton und Gemeinden zu gefährden. Der Gegenvorschlag führt denn auch nicht zu einem Leistungsabbau der öffentlichen Hand. Die Initiative hingegen führt aufgrund der Entlastung bei allen Steuerpflichtigen zu markant höheren Ertragsausfällen, die in diesem Ausmass nicht finanzierbar wären.

Umsetzung der Initiative finanziell nicht tragbar

Gesamthaft führt die Umsetzung der Initiative beim Kanton und den Einwohnergemeinden ab der Steuerperiode 2023 zu jährlichen Steuerausfällen von 98.2 Mio. Franken. Ab der Steuerperiode 2030 betragen die Steuerausfälle sogar jährlich 259.4 Mio. Franken.

Die Annahme der Initiative würde ab der Steuerperiode 2023 allein beim Kanton zu jährlichen Steuerertragsausfällen von 46.9 Mio. Franken führen, die bei dieser unsicheren Ausgangslage nicht zu verantworten sind. Das Eigenkapital, das sich dank der guten Abschlüsse der Jahresrechnungen 2019 und 2020 auf 416.9 Mio. Franken erhöhte, wäre in kurzer Zeit aufgebracht. Die guten Ergebnisse der Vorjahre sind zudem zu einem grossen Teil auf Gewinnausschüttungen der Schweizerischen Nationalbank zurückzuführen, deren künftige Höhe ungewiss ist. Die grossen Defizite würden den Kanton Solothurn zwingen, bei den auf kantonaler Ebene beeinflussbaren Aufgabengebieten, namentlich bei der Bildung, im Gesundheits- und Sozialbereich sowie bei der Infrastruktur mit sofortiger Wirkung einen massiven Leistungsabbau mit entsprechenden personalpolitischen Massnahmen durchzusetzen. Die Standortattraktivität des Kantons Solothurn würde dabei grossen Schaden erleiden. Oder es wird unumgänglich sein, diese enormen zusätzlichen Ausfälle mit einer Erhöhung des Steuerfusses zu kompensieren. Auf keinen Fall wird die massive Steuersenkung die steuerliche Attraktivität des Kantons in dem Ausmass steigern, dass neu zugezogene Steuerpflichtige die Ausfälle mit ihren Steuern kompensieren könnten. Auch die Gemeinden wären gezwungen, die massiven Steuerausfälle durch eine Erhöhung des Steuerfusses aufzufangen.

Unterschiede Initiative und Gegenvorschlag

Nachfolgend sind die wichtigsten Unterschiede zwischen der Umsetzung der Initiative und dem Gegenvorschlag tabellarisch aufgelistet:

  Initiative Gegenvorschlag
Steuerausfälle Kanton
und Einwohnergemeinden [Fr.]
2023-2029: 98.2 Mio.
ab 2030: 259.4 Mio.
ab 2023: 55.3 Mio.
Entlastete Einkommenkategorien Alle Einkommen Vorwiegend tiefe
und mittlere Einkommen
sowie Familien mit Kindern
Höhe Kinderabzug CHF 6’000 CHF 9’000
Höhe Pendlerabzug Unbegrenzt CHF 7’000
Ausgleich Teuerung Jährlich automatisch Obligatorisch, wenn Anstieg
der Teuerung um 5%

Die nächsten Schritte

Die Umsetzungsvorlage zur Initiative sowie der Gegenvorschlag werden nun zur Beratung an den Kantonsrat überwiesen; sie müssen dem Stimmvolk spätestens im September 2022 vorgelegt werden. Die beschlossenen Änderungen im Steuergesetz würden am 1. Januar 2023 in Kraft gesetzt.