Muslimische Seelsorge im Gefängnis
Pfarrerin Anita Hintermann begleitet Insassen in den Solothurner Gefängnissen. Seit ein paar Wochen arbeitet auch ein Imam in ihrem Seelsorge-Team. Der Kanton bietet im Rahmen eines Projekts muslimische Gefängnisseelsorge an. Eine Reportage.
Anita Hintermann arbeitet hinter Gefängnismauern. Als Seelsorgerin erhält sie Einblick in schwierige und teils dramatische Geschichten. «Die Anliegen und Probleme der Insassen unterscheiden sich von der normalen Seelsorge», sagt die Leiterin der ökumenischen Gefängnisseelsorge Kanton Solothurn. In den Untersuchungsgefängnissen in Olten und Solothurn gehe es um Fragen wie: wer hilft meiner Frau mit den Kindern? Ganz anders im Hochsicherheitsgefängnis, der Justizvollzugsanstalt in Deitingen, wo die Verurteilten mehrere Jahre bleiben. «Ich habe dort viel mehr mit psychischen Abstürzen und Demotivationen zu tun», sagt Anita Hintermann.
Auch Muslime im Gefängnis begleiten
Die Pfarrerin besucht die Insassen in den drei Institutionen einmal pro Woche. Die Gefängnisseelsorge wird in Zusammenarbeit zwischen dem Kanton und den Landeskirchen angeboten. Am 1. Februar 2023 ist dieses Angebot im Rahmen eines Projekts ausgeweitet worden. Neu werden nicht nur christliche, sondern auch muslimische Gläubige im Gefängnis begleitet. Das sei wichtig und das Bedürfnis gross, betont Anita Hintermann: «In der muslimischen Kultur ist die Seelsorge eine Aufgabe der Familie. Wenn muslimische Gläubige im Gefängnis landen, sind sie komplett abgeschnitten». Sie als Christin könne den Muslimen zum Beispiel bei Fragen rund um den Ramadan oder das Freitagsgebet zu wenig helfen. Darum besucht ein Imam nun jede zweite Woche die drei Gefängnis-Standorte und steht den Insassen zur Verfügung. Seine Arbeit unterscheide sich nicht von der christlichen Gefängnisseelsorge, so Anita Hintermann: «Er führt Gespräche, fängt auf, ist für die Leute da.» Dazu gehört auch, das Gefängnispersonal bei Fragen rund um den Islam zu schulen.
Erfahrungen sammeln für ein künftiges Angebot
Der Imam der albanisch-islamischen Glaubensgemeinschaft in Zuchwil, der über eine Zusatzausbildung der Universität Fribourg in muslimischer Seelsorge verfügt, arbeitet zu 20 Prozent für den Kanton. Finanziert wird das Projekt mit Bundesgeldern aus dem «Nationalen Aktionsplan zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewälttätigem Extremismus». Bis im Sommer 2024 will man praktische Erfahrungen sammeln. Danach zeigt sich, ob und wie eine ständige muslimische Gefängnisseelsorge im Kanton umgesetzt werden soll.