Chat-Beratung für Gewaltopfer

Karin Greub berät Menschen, die Opfer von Gewalt geworden sind. Sie hilft in persönlichen Gesprächen, telefonisch oder per E-Mail. Seit Neustem kann man auch mit ihr chatten. Mit diesem neuen digitalen Angebot will die Beratungsstelle Opferhilfe vor allem jüngere Menschen erreichen.
Mittwochmorgen bei der Beratungsstelle Opferhilfe des Kantons Solothurn in Olten. Heute ist Karin Greub verantwortlich für die Chat-Beratung: «Ich muss permanent parat sein und loschatten können», sagt sie. Sobald sich jemand auf Opferhilfeberatung.so.ch meldet und via Chat Hilfe sucht, ist jeweils eine Fachperson online. «Wir helfen den Menschen live und sofort. Dazu arbeiten wir eng mit den Opferberatungsstellen anderer Kantone zusammen und teilen die Slots untereinander auf», sagt Karin Greub. So ist auch mal eine Fachperson aus Luzern, Zürich oder Bern als Beraterin im Chat. «Es sind aber immer Fachpersonen einer offiziellen Opferberatungsstelle, keine Chatbots oder künstliche Intelligenz.»
Anonym, kostenlos, vertraulich
Seit Anfang Jahr berät die Opferhilfe auch via Chat. Mit diesem zusätzlichen Kanal will man insbesondere Junge erreichen. Die Erfahrung in anderen Kantonen zeigt, dass sich vor allem junge Frauen zwischen 20 und 30 via Chat melden: «Wir wollen mit diesem neuen Angebot Hürden senken. Chat ist für manche einfacher als ein Anruf oder ein persönliches Gespräch. Alles ist anonym, man muss nicht sagen, wer man ist», erklärt Karin Greub. «Die Person kann schildern, was ihr Anliegen ist und den Chat jederzeit wieder verlassen.» Auch für hochgefährdete Personen bei häuslicher Gewalt kann der Chat ein wichtiger Kanal sein. «Betroffene von häuslicher Gewalt sind oft stark überwacht. Sie können weder anrufen noch bei uns vorbeikommen. Chat kann für sie ein Mittel der Kontaktaufnahme sein, weil man dabei keine Spuren hinterlässt.»
«Ich habe bis jetzt rund 600 Personen beraten»
Die Beratungsstelle Opferhilfe Kanton Solothurn existiert seit Sommer 2021. «Ich bin seit über drei Jahren dabei und habe in dieser Zeit rund 600 Personen beraten – aus allen Altersgruppen und Herkunftsländern», berichtet die soziokulturelle Animatorin FH. In der Hälfte aller Fälle geht es jeweils um häusliche Gewalt, vor allem bei Frauen. 20 Prozent betreffen die verschiedenen Formen von Sexualdelikten: sexuelle Belästigung, Nötigung, Vergewaltigung. «Leider erleben auch viele Kinder sexuelle Gewalt oder Ausbeutung», weiss Karin Greub aus ihrem Alltag. Die Beratungsstelle hilft zudem bei Körperverletzungen im öffentlichen Raum, Stalking, Verkehrsunfällen mit Verletzungsfolgen oder medizinischen Behandlungsfehlern. «Wir versuchen, möglichst rasch und unkompliziert zu helfen, auch mit finanzieller Unterstützung», sagt Karin Greub. Die Opferhilfe kann die Anwaltskosten für fünf Stunden übernehmen, eine Notunterkunft finanzieren oder für einen Teil der medizinischen und psychotherapeutischen Kosten aufkommen.