Landammannjahr 2022
Zum zweiten Mal in seiner Amtszeit ist Regierungsrat Dr. Remo Ankli 2022 Landammann. Damit hat der Vorsteher des Departements für Bildung und Kultur den Vorsitz im Kollegium des Regierungsrats inne und vertritt den Kanton Solothurn an Anlässen und Ereignissen.
Remo Ankli möchte sein Landammannjahr aber auch nutzen, um mit einer Reihe ausgewählter Fotografien und Illustrationen seine persönlichen Gedanken auszudrücken. Nachfolgend finden Sie die bereits entstandenen Beiträge:
Bräuche und Traditionen haben ihr Gutes
Die Advents- und Weihnachtszeit ist eine besondere, eine schöne Zeit. Doch angesichts der verbreiteten Kritik an Kitsch und Kommerz rund um das Weihnachtsfest ist es nicht mehr selbstverständlich, sich zur weihnachtlichen Vorfreude zu bekennen. Während für gläubige Christen der religiöse Inhalt des Festes im Zentrum steht, gibt es zahlreiche Bräuche und Traditionen, die über die christliche Sphäre hinausgehen und auch Anders- und Nichtgläubige erreichen.
Geschenke, Festessen, Lieder, Kränze und Tannenbaum – die Advents- und Weihnachtszeit kennt ein reiches Brauchtum. Ein Blick auf die jeweilige Entstehungsgeschichte dieser Gebräuche zeigt, dass deren Ursprünge oft in der Antike liegen. Manchmal standen am Anfang eines heute liebgewonnenen Brauches sogar Verbote. So beispielsweise beim Weihnachtsbaum, gegen dessen Gebrauch im Jahr 1804 in Schwaben ein «Christbaum-Verbot» erlassen wurde: «Auf die erhaltene Anzeige von der (…) Gewohnheit, den Kindern auf das Weihnachtsfest Christbäume aufzustellen, hat man sich veranlaßt gefunden, diesen, der Forstkultur so nachtheiligen und ganz zweklosen Mißbrauch abzustellen.»
Verstösse gegen das Verbot des Kürfürsten von Bayern wurden zwar mit Geld- oder Leibesstrafen geahndet, doch vermochten diese den Siegeszug des Christbaums nicht aufzuhalten. Gut so. Denn die Gesamtheit der vielfältigen Advents- und Weihnachtsbräuche bremsen einmal im Jahr die Dynamik des Zeitgeistes, den eng getakteten Geschäfts- und Alltagsrhythmus sowie die digitale Durchdringung aller Lebensbereiche etwas ab. Und ein weiterer schöner Brauch ist es, am Ende des Jahres zu danken, und zwar Ihnen allen für Ihren Einsatz zu Gunsten von Bildung, Kultur und Sport in unserem Kanton. Herzlichen Dank! Ich wünsche Ihnen und Ihren Angehörigen besinnliche Weihnachtstage und einen glücklichen Start ins neue Jahr.
Ältere Beiträge
Lernen aus der Vergangenheit
Früher war alles besser. Ob dem wirklich so ist, lässt sich nachprüfen: Die Tage des Europäischen Denkmals am 10. und 11. September 2022 erlauben Einblicke in vergangene Gesellschaften – zum Beispiel mit einem Besuch der Hammerschmiede in Beinwil. Die ehemalige Klosterschmiede liegt am Ufer der Lüssel. Neben der Muskelkraft des Schmiedes war dieser Bach während Jahrhunderten die einzige Energiequelle, um das Metall bearbeiten zu können. Das grössere der beiden Wasserräder treibt einen grossen Schmiedehammer und einen Schleifstein an. Das kleine Rad hält für Glut in der Kohle einen Blasebalg in Bewegung. Bis um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert diente das Gebäude gleichzeitig als Arbeits- und Wohnort. Im Erdgeschoss befand sich die Werkstatt und der Platz für eine Kuh, die Milch für den Eigenbedarf lieferte. Im ersten Stock lebte die Familie des Schmiedes – um 1874 waren das zwei Erwachsene und zehn Kinder – auf einer Fläche von rund 40 Quadratmetern. Und schliesslich beherbergte das Dachgeschoss einen Heustock.
Auch wenn es gerade mal vier, fünf Generationen her ist, ist uns die Lebensweise dieser Menschen im ländlichen Lüsseltal fremd geworden. Damit wir unseren gewohnt hohen Lebensstandard aufrechterhalten können, wird eine grosse Menge an Energie benötigt. Energie, die uns in den vergangenen Jahrzehnten unbeschränkt zur Verfügung stand – scheinbar. Diese Gewissheit ist innert kurzer Zeit jäh zerbröselt. Vermutlich entsprach sie bereits vor dem Krieg in der Ukraine mehr einer Illusion als der Realität, doch nun ist die prekäre Situation auf einmal offensichtlich geworden.
Als Reaktion auf die düsteren Szenarien wird nun der Appell fürs Stromsparen laut. Damit im Winter die Lichter nicht ausgehen, soll mit freiwilligen Massnahmen der Energieverbrauch reduziert werden. Die Energie ist ein knappes Gut, weshalb sie nicht verschwendet werden darf. Deshalb müssen wir nach Jahren vermeintlich unbegrenzter Energie wieder lernen, dass eine ausreichende Energieversorgung nicht garantiert ist. Mit dieser Erkenntnis sind unbequeme Entscheidungen verbunden. Optimistisch stimmt ein Blick auf die Lebensumstände vergangener Zeiten: Mit Fleiss, Geschick und Innovationsfreude haben es auch unsere Vorfahren weit gebracht. Diese Feststellung gibt uns Zuversicht für die Aufgaben, die wir zu lösen haben.
Mehr Informationen zu den Tagen des Denkmals gibt es auf dieser Seite.
Der Mensch, das «unbehauste» Wesen
Ich habe mein Büro geräumt und das Rathaus verlassen. Doch ich stehe nicht auf der Strasse, sondern bin bloss umgezogen. Das Departement für Bildung und Kultur zügelt in die sanierte Liegenschaft «Rosengarten» in Solothurn. Das Bürogebäude ist keine futuristische Lösung, doch öffnen sich für die Verwaltung mit dieser gesicherten «Homebase» neue Wege für modernes, flexibles und zukunftsorientiertes Arbeiten zugunsten der Solothurner Bevölkerung.
Die Welt dagegen ist spürbar unsicherer geworden. Krisen bestimmen die Schlagzeilen und setzen uns im Tagestakt zu. Corona, der Ukraine-Krieg und die Klima- und Umweltfragen beschäftigen uns beruflich wie privat und untergraben gültige Überzeugungen. Zukunftsaussichten waren auch schon optimistischer, als sie es derzeit sind. Gewissheiten gehen verloren und damit auch das Empfinden, uns in unserem friedlichen und wohlhabenden Land sicher zu fühlen. Der Mensch bleibt ein unruhiges, «unbehaustes» Wesen – was manchmal vergessen geht.
Doch wie begegnen wir den neuen Unsicherheiten? Indem wir uns auf unsere Stärken konzentrieren und die Werte verteidigen, die wir in unserem Land, unserem Kanton besitzen. Die freiheitlich und solidarisch verfasste Gesellschaft, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bilden das Fundament unserer «Behausung». Gerade, wenn die Zeiten prosperieren, nimmt die Sorglosigkeit zu und die Orientierung an Grundwerten ab. Gerade in Krisenzeiten sollten wir deshalb Gegensteuer geben. Als Einwohner des Kantons Solothurn und der Schweiz bin ich dankbar, in einem friedlichen und wohlhabenden Land leben zu dürfen. Jeder und jede kann dazu beitragen, diese Lebensqualität zu bewahren. Gelingt uns das, sind wir nicht mehr unbehauste Menschen, sondern Menschen, die eine Heimat haben und in Gemeinschaft(en) leben. Wir suchen Gemeinschaft –und wir bilden eine Gemeinschaft.
«Heimat» geht nur gemeinsam
Heimat ist ein facettenreicher Begriff, ihn inhaltlich zu definieren kein einfaches Unterfangen. Bei mir beispielsweise kommen heimatliche Gefühle auf, wenn ich nach Feierabend von Solothurn nach Beinwil über den Passwang nach Hause fahre. Der Blick auf die Serpentinen der Strasse und die grünen Jurahöhen ist prächtig und präsentiert sich je nach Wetter und Jahreszeit immer wieder neu und anders. Albin Fringeli, der bekannte Dichter aus dem Schwarzbubenland, beschrieb die Landschaft, die ihm Lebensmittelpunkt war, einst mit den Worten:
Blaui Bärge, tiefi Chräche,
In der Mitti wyti Fäld;
A de Hübel geechi Matte –
Das isch öisi chlyni Wält.
Heimat bedeutet Geborgenheit. Heimat von einem Tag auf den andern zu verlieren, stellt unsere Existenz in Frage. Diese tiefgreifende Erfahrung machen aktuell jene Menschen, die als Flüchtlinge aus ihrer ukrainischen Heimat fliehen müssen. Sie suchen Schutz – auch bei uns.
Der preussische Militärwissenschaftler und Major Carl von Clausewitz hatte anfangs 19. Jahrhundert den Satz geprägt: «Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.» Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat diese pointierte Aussage neue Aktualität erhalten. Das ist eine bedauerliche und unheilvolle Entwicklung.
Ein Blick in die Geschichtsbücher des europäischen Kontinents lehrt uns, dass es gerade die zentrale Aufgabe der Politik wäre, Krieg zu verhindern. Mit politischen Diskussionen und definierten Entscheidungsprozessen müssen wir versuchen, in den wesentlichen Bereichen der Gesellschaft für ausgewogene Verhältnisse zu sorgen. So kommt denn auch in der Verfassung des Kantons Solothurn der Begriff «ausgewogen» mehrfach vor. In den entsprechenden Verfassungsartikeln geht es darum, eine ausgewogene Nutzung des Bodens, eine ausgewogene Entwicklung der Wirtschaft sowie ausgewogene Verhältnisse in der Steuerbelastung der Gemeinden anzustreben.
Ausgewogenheit liegt nicht ein für alle Mal vor, wir müssen sie immer wieder neu suchen und finden, indem die vielfältigen Interessen austariert und tragfähige Lösungen gefunden werden. Aus diesem Grund ist es höchst schädlich, wenn Eigenschaften wie Kompromissfähigkeit und Kompromissbereitschaft in der Politik als Profillosigkeit diskreditiert werden. Denn gerade diese Qualitäten sind unabdingbar dafür, dass mit politischen Prozessen mehrheitsfähige und ausgewogene Lösungen erarbeitet und erstritten werden können.
Zeit, Brücken zu bauen
Als Landammann geniesst man ein paar wenige Privilegien. Festzulegen, vor welchem Hintergrund sich der Solothurner Regierungsrat für das offizielle Foto abbilden lässt, ist eines davon. Für das Schloss Waldegg habe ich mich entschieden, weil das Schloss Waldegg seit 1991 als Begegnungszentrum dient: für Begegnungen zwischen sozialen Gruppen und Sprachregionen. Diese Nutzung ist eng mit dem Umstand verknüpft, dass der Kanton Solothurn sich als Mittler zwischen den Sprach- und Kulturgemeinschaften der Schweiz versteht. Eine Rolle, die eine Art Erbe des Ancien Régimes ist: Die Stadt Solothurn war von 1530 bis 1792 Sitz der französischen Ambassadoren.
Dass sich der Kanton Solothurn dank dieser Mittlerfunktion das Etikett «Brückenbauer» anheftet, ist jedoch nicht ein blosses politisches Lippenbekenntnis mit historischem Hintergrund. In Artikel 2 der Kantonsverfassung haben wir diese Aufgabe explizit zu unserer Verpflichtung gemacht. Und wie die letzten beiden, von der Covid-19-Pandemie geprägten Jahre gezeigt haben, ist es wichtiger denn je, dass wir dieser Verpflichtung nachkommen, indem wir alles daran setzen, um divergierende gesellschaftliche Kräfte zusammenzuhalten und gegenseitigen Respekt einzufordern.
Auch innerhalb einer Regierung sind nicht immer alle gleicher Meinung. Das liegt in der Natur der Sache – und ist gut so; weil Neues, Kreatives und letztlich nachhaltig Bleibendes häufiger aus der Auseinandersetzung mit verschiedenen Meinungen entsteht als auf dem Boden sorgenfreier Harmonie.
Zu den Pflichten einer Regierung gehört darum, dass sie sich mit unterschiedlichen Meinungen und Haltungen auseinandersetzt. Dass sie intern vorhandene und auch von aussen eingebrachte Standpunkte aufnimmt, diskutiert, abwägt und schliesslich zum Wohle der gesamten Bevölkerung Entscheidungen trifft. Die Regierung ist also, im weiteren Sinne, ebenfalls ein «Brückenbauer»: nämlich zwischen der Politik und der Gesellschaft.
Gerade in Krisenzeiten zeigt sich, wie gut Gremien in der Lage sind, einen gemeinsamen Weg zu finden – oder besser: eine solchen erarbeiten können. Die Besinnung auf das Verbindende ist dabei eine wichtige Voraussetzung. Die Mitglieder des Solothurner Regierungsrats erfüllen sie. Im Wissen darum, dass tragfähigen Lösungen stets ein Geben und Nehmen zugrunde liegt – und dass das Zusammensitzen und Zusammenstehen, wie auf dem Bild, immer ein Anfang dazu ist.