Die Volksinitiative „Jetz si mir draa”, Für eine Senkung der Steuern für mittlere und tiefe Einkommen verlangt ab dem Jahr 2023 eine Steuerbelastung der Einkommen, die maximal 20 Prozent über dem Schweizer Durchschnitt liegt. Und in einem zweiten Schritt - ab dem Jahr 2030 - eine Steuerbelastung, die maximal dem Schweizer Durchschnitt entspricht. Die Umsetzung dieser strikten Vorgabe würde für den Kanton ab 2023 jährliche Steuerausfälle von 63 Millionen Franken und ab dem Jahr 2030 von 132 Millionen Franken bedeuten.
Die Einwohnergemeinden ihrerseits müssten ab 2023 jährlich auf 72 Millionen Franken Steuereinnahmen verzichten und ab dem Jahr 2030 auf 149 Millionen Franken pro Jahr. Die Kirchgemeinden wären ab dem Jahr 2023 mit einem Ausfall von 12 Millionen Franken und ab dem Jahr 2030 mit einem von 24 Millionen Franken pro Jahr konfrontiert.
Steuerausfälle im Überblick
Das Steueramt hat mit Daten der Eidgenössischen Steuerverwaltung einen Steuertarif erarbeitet, der die durchschnittliche Einkommenssteuerbelastung der Kantone abbildet. Die Tarif-Variante A entspricht dem Schweizer Durchschnitt, die Tarif-Variante B entspricht eine Belastung von 20 Prozent über dem Schweizer Durchschnitt.
Die Simulationen mit den realen Veranlagungsdaten des Steuerjahres 2017 haben folgende Steuerausfälle ergeben:
Beträge in Mio. Franken | Variante B: CH-Durchschnitt +20% | Variante A: CH-Durchschnitt |
---|---|---|
Kanton | - 63.23 | - 131.50 |
Einwohnergemeinden | - 71.75 | - 149.20 |
Kirchgemeinden | - 11.55 | - 24.03 |
Total Steuerertragsausfälle öffentliche Hand | - 146.53 | - 304.73 |
Die Methode zur Berechnung der Steuerausfälle wurde vom Beratungsbüro Ecoplan AG geprüft und für zielführend befunden.
Steuersenkung gefährdet Finanzhaushalt massiv
Der Regierungsrat hält fest, dass eine Steuersenkung in diesem Ausmass den Finanzhaushalt des Kantons massiv gefährden würde. Aufgrund der Covid-19-Pandemie hat der Kanton enorme zusätzliche Kosten zu stemmen und aufgrund der sich abzeichnenden schweren Wirtschaftskrise ist zudem mit einem markanten Rückgang der Steuereinnahmen zu rechnen. Der erste Schritt der Umsetzung der Initiative würde die Einnahmen aus den Staatssteuern um 10,4 Prozent und der zweite Schritt um 21,6 Prozent kürzen.
Ausfälle in dieser Grössenordnung würden einen erheblichen Leistungsabbau in den vom Kanton beeinflussbaren Aufgabengebieten, namentlich bei der Bildung, im Gesundheits- und Sozialbereich sowie bei der Infrastruktur nach sich ziehen. Oder aber die Ausfälle müssten notgedrungen durch eine Erhöhung des Steuerfusses aufgefangen werden.
Dasselbe gilt für die Einwohner- und Kirchgemeinden, die ebenfalls stark betroffen wären. Für die Standortattraktivität des Kantons und seiner Gemeinden wäre eine solche Entwicklung alles andere als förderlich.
Systemwidrig und widersprüchlich
Aus Sicht des Regierungsrates würde die rigide Umsetzung der Initiative eine eigenständige und vorausschauende Finanzpolitik auf Stufe Kanton und Gemeinden verunmöglichen. So müsste sich der Einkommenssteuertarif strikt nach der gerade geltenden durchschnittlichen Steuerbelastung der Einkommen aller Kantone richten. Diese Forderung der Initiative ist systemwidrig und würde die Steuereinnahmen dem Durchschnitt aller Kantone unterwerfen, der letztlich immer ein Zufallsprodukt ist. Dieser kann jederzeit ändern, sobald auch nur ein Kanton seinen Steuertarif anpasst.
Die Initiative ist zudem in sich widersprüchlich: Im Titel fordert sie «eine Senkung der Einkommenssteuer für mittlere und tiefe Einkommen» und im Initiativtext selber verlangt sie eine maximale Steuerbelastung für «alle Steuerpflichtigen», die sich strikte am Schweizer Durchschnitt orientiert.
Weitere Entlastung der Einkommen geplant
Der Regierungsrat hat am 26. Mai 2020 das Finanzdepartement beauftragt, eine Teilrevision des Steuergesetzes auszuarbeiten. Das Ziel: Die Einkommenssteuerbelastung weiter reduzieren unter gleichzeitiger Überprüfung der Steuerabzüge und der Katasterschätzung im schweizerischen Vergleich. Dies mit der Vorgabe, dass das Gleichgewicht des Finanzhaushalts des Kantons erhalten bleibt.
Zudem ist die Steuerbelastung der tiefsten Einkommen im Kanton Solothurn rückwirkend auf den 1. Januar 2020 unter den schweizerischen Durchschnitt gesenkt worden, dies mit der Umsetzungsvorlage zur Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF).
Und: Der Regierungsrat will noch dieses Jahr einen dringlichen Auftrag der Finanzkommission vom November 2019 umsetzen. Dieser verlangt eine weitere Entlastung der mittleren und tiefen Einkommen bei Kanton und Gemeinden im Umfang von zusammen rund 30 Millionen Franken pro Jahr.
Wie geht es weiter?
Mit Botschaft und Entwurf vom 26. Mai 2020 beantragt der Regierungsrat dem Kantonsrat die Ablehnung der Initiative. Die Initiative wird voraussichtlich in der September-Session beraten.
- Lehnt der Kantonsrat die Initiative ebenfalls ab, kommt diese voraussichtlich am 29. November 2020 vors Volk. Lehnen die Stimmberechtigten diese Ebenfalls ab, ist die Vorlage vom Tisch.
- Stimmt der Kantonsrat der Initiative zu, hat der Regierungsrat 15 Monate Zeit, um eine entsprechende Vorlage auszuarbeiten.
- Dasselbe gilt, wenn das Volk der Initiative zustimmt.
- Gegenvorschlag: Der Regierungsrat könnte zusätzlich zur Vorlage einen Gegenvorschlag ausarbeiten. Auch der Kantonsrat könnte vom Regierungsrat die Ausarbeitung eines Gegenvorschlags verlangen.