Dezember 2020

Vielfältiges Solothurner Kulturerbe

  • 01.12.2020

Regelmässig im Dezember präsentiert das Amt für Denkmalpflege und Archäologie seinen Jahresbericht in der Reihe «Archäologie und Denkmalpflege im Kanton Solothurn». Soeben ist das 25. Heft erschienen. Von frühmittelalterlichen Gräbern bis zum anthroposophischen Gesamtkunstwerk ist nachzulesen, was 2019 untersucht, dokumentiert, ausgewertet und restauriert worden ist.

Das Frühmittelalter im Fokus der Archäologie

Im archäologischen Teil des Jahresberichts sind zwei grosse Beiträge dem Frühmittelalter gewidmet. Im Jahr 2017 untersuchte die Kantonsarchäologie im Oberdorf von Oensingen, im alten Ortsteil Bienken, einen römischen Gutshof. Im Innenhof der römischen Villa kam dabei ein Friedhof aus dem Frühmittelalter zum Vorschein. Die 23 Gräber mit insgesamt 25 Bestattungen waren im 7. Jahrhundert angelegt worden. 2018/2019 fand eine detaillierte wissenschaftliche Auswertung statt. Neben der Vorlage des Bestattungsplatzes, der Grabbauten, der bestatteten Personen sowie der Grabfunde stellt der Beitrag die Entdeckungen in einen grösseren historischen Kontext: Durch Grabbau, Trachtobjekte und Bestattungsbräuche lassen sich die Gräber mehrheitlich dem alamannisch geprägten Kulturraum des östlichen und zentralen Mittellandes anschliessen. Einige Gräber weisen jedoch Beziehungen zum romanisch-lateinischen Kulturraum des westlichen Mittellandes auf. Ausschlaggebend für diese Anbindung war wohl die Lage an einer wichtigen Fernstrasse, die Italien via den Grossen St. Bernhard und das Mittelland mit dem Rhein verband.

Der zweite Aufsatz berichtet über die jüngsten archäologischen Untersuchungen in der frühmittelalterlichen Gewerbesiedlung bei Büsserach, der mittlerweile am besten untersuchten Siedlung aus dem Früh- und Hochmittelalter im Kanton. Bei den Ausgrabungen 2015 und 2019 kamen die Reste eines Gehöfts aus dem 7./8. Jahrhundert zum Vorschein. Das Zentrum des Hofes bildete ein 10,5 auf 20 Meter grosses, mehrschiffiges Pfostengebäude. Um dieses Wohnhaus lagen zehn Grubenhäuser, die hauptsächlich als Werkstätten und Webkeller dienten. Reste eines kleinen Schmelzofens zum Verhütten von Eisenerz und einer Schmiedeesse sowie eine grosse Menge an Schlacken zeigen, dass am Platz Eisen hergestellt und verarbeitet wurde.

Kurzberichte zu 18 Fundstellen sowie der Tätigkeitsbericht des Jahres 2019 runden den Archäologie-Teil ab.  

Denkmalpflege: Vielfalt der Kulturobjekte, Vielfalt der Lösungen

Wie sich die Arbeitsfelder von Archäologie und Denkmalpflege ergänzen, zeigt der erste Beitrag der Denkmalpflege: Im Falle der Antoniuskapelle von Deitingen stand eine bauarchäologische Untersuchung des aufgehenden Mauerwerks am Anfang der Restaurierung. Sie bestätigte die Vermutung, dass sich im Kern der Kapelle ein ehemaliges Beinhaus verbirgt. Der Beitrag des Bauforschers rekonstruiert das ursprüngliche Aussehen der Kapelle, stellt sie in die Reihe der solothurnischen Beinhäuser und beschreibt die Baugeschichte in insgesamt acht Bauphasen.

Zwei Aufsätze befassen sich mit Wohnbauten, allerdings mit grundverschiedenen: das eine ein anthroposophisches Gesamtkunstwerk im Umfeld des Goetheanums, das andere ein traditionelles Bauernhaus inmitten des schützenswerten Ortsbildes von Nennigkofen. Unterschiedlich war denn auch die Herangehensweise. Beim durchgestalteten Haus in Dornach respektierten die Eigentümer den hohen Anteil an originaler Substanz und restaurierten die Liegenschaft umfassend, aber zurückhaltend. In Nennigkofen hingegen war es möglich, mehrere altersgerechte Wohnungen in ein ehemaliges Bauernhaus einzubauen – ganz im Sinne des Postulats nach innerer Verdichtung. Der alte Wohnteil und das Gebäudevolumen blieben erhalten, der Ökonomieteil nahm moderne Wohneinheiten auf.

Dass jedes Denkmal nach einer spezifischen Restaurierungsweise verlangt, beweisen vier weitere Beiträge. Bei der Holzbrücke von Olten löste der Brand von 2017 nicht nur eine Bauanalyse und die fachgerechte Instandstellung aus, sondern auch eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Baugeschichte und der Vorgängerbauten. Die Wandmalereien in der alten Stiftskirche von Schönenwerd waren vom Zerfall bedroht und benötigten eine umgehende Sicherung und Restaurierung. Bei dem lange unter Gestrüpp versteckten Steinspeicher in Selzach konnte sich der Bauforscher die Zeit für eine eingehende Bauuntersuchung nehmen, und sein Restaurierungsbericht holt den selten gewordenen Bautyp wieder in unser Bewusstsein. Und dem Ambassadorenhof in Solothurn, einem der prominentesten Gebäude der Stadt, gab eine in Etappen durchgeführte Fassadenrestaurierung das historisch stimmige Erscheinungsbild zurück.

Auch in den abschliessenden Kurzberichten und dem Tätigkeitsbericht der Denkmalpflege spiegelt sich die Vielfalt von Kulturobjekten und Massnahmen – von der Restaurierung einer Reliquienbüste bis zur Verschiebung eines Speichers.

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