Olten/Marktgasse 27

Ein Querschnitt durch Olten's Stadtgeschichte

Im Jahr 2020 wurden der "Alte Spittel" und der sogenannte Hexenturm an der Marktgasse 27 in der Südwestecke der Oltner Altstadt umgebaut. Bei der baubegleitenden Untersuchung kamen wichtige Befunde aus römischer Zeit, dem Spätmittelalter und der Neuzeit zum Vorschein.

Aus der Zeit des römischen Vicus, der offenen Strassensiedlung des 1.-3. Jh. n.Chr., stammen Reste von vier Mörtelböden sowie eine Sockelmauer, die zu verschiedenen Gebäuden gehört hatten. Im 4. Jh. wurde die Siedlung verkleinert und mit einer Wehrmauer umgeben. Es entstand eine befestigte Siedlung, ein sogenanntes Castrum. Während der Grabung kam ein bisher unbekanntes Stück der Castrumsmauer zum Vorschein. Im Fundament der Castrumsmauer konnten Reste eines Balkenrostes beobachtet werden, der das Fundament stabilisieren half, während der Mörtel noch aushärtete. An ihrem südlichen Ende ist die Castrumsmauer abgebrochen. Das heisst, sie lief ursprünglich weiter nach Südosten, über die Südflucht der heutigen Altstadt hinaus.

Aus dem Spätmittelalter stammen verschiedene Mörtel- und Lehmböden, die zu einem mindestens 4,5 x 6,3 m grossen Gebäude gehört hatten. Es dürfte sich dabei um die Reste desjenigen Hauses handeln, das der Stadt Olten im Jahr 1482 zur Errichtung eines Spittels, eines Armen- und Waisenhauses, geschenkt wurde. Im Jahre 1544 entstand das heute bestehende Gebäude und im Jahr darauf der Hexenturm. Eine Deuchelleitung, deren Entstehungszeit nicht genau eingegrenzt werden kann, versorgte den Spittel mit Frischwasser, der damit eines der ersten Gebäude in Olten mit eigenem Wasseranschluss war.

Im März 1866 stürzten aufgrund des instabilen Baugrundes ein Teil der Fassade des Spittels sowie die Fassaden dreier angrenzender Häuser ein. Die Abbruchkante zeigte sich im Befund als Baufuge zwischen der mittelalterlichen Stadtmauer und dem neuen Mauerwerk des 19. Jh. Gemäss den historischen Quellen hatten glücklicherweise alle Bewohner diesen Einsturz überlebt.

 

  1. Die Liegenschaft Marktgasse 27 (rechts) mit dem Hexenturm (links) von Süden, von der Dünnern aus gesehen.
  2. Profil mit Böden und Schichten aus der Zeit des römischen Vicus (1.-3. Jh. n.Chr.).
  3. Der Massstab steht auf einem römischen Mörtelboden, im Profil ist ein weiterer Mörtelboden zu sehen.
  4. Sockelmauer eines Gebäudes aus der Vicuszeit.
  5. Die spätrömische Castrumsmauer im Hexenturm ist auf einer Länge von 3,6 Meter und einer Breite von mindestens 1,8 Meter erfasst.
  6. Im Fundament waren 15 Zentimeter breite Holzbalken verlegt, mit deren Hilfe das Mauerwerk stabilisiert wurde, bis der Mörtel abgebunden hatte. Das Holz ist vergangen und es sind nur noch die Negative erhalten.
  7. Fotogrammetrische Aufnahme der Castrumsmauer. Im Vordergrund die Maueransicht, im Hintergrund die Fundamente der Stadtmauer, die auf der Castrumsmauer aufliegen.
  8. Die Lehmböden des spätmittelalterlichen Gebäudes.
  9. Eine eiserne Muffe, die die Holzrohre der Deuchelleitung miteinander verband.
  10. Die Südfassade mit der ursprünglichen Fassadenmauer (rechts) und der schmaleren Mauer, die nach dem Einsturz von 1866 errichtet wurde (links).
  11. Südansicht der Oltner Altstadt. Die beiden Gebäude in der Bildmitte mit den gleich hohen Dächern und der identischen Befensterung waren 1866 ebenfalls eingestürzt. Ganz links der Hexenturm und Marktgasse 27.