Flankierende Massnahmen (FlaM)
Am 1. Juni 2004 ist die Einführung des freien Personenverkehrs zwischen der Schweiz und der EU in eine neue Phase getreten. Sowohl die generelle Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen wie auch der Inländervorrang entfallen. Zum Schutz der Arbeits- und Lohnbedingungen wurden die flankierenden Massnahmen erlassen.
Inhalt und Geltungsbereich der flankierenden Massnahmen
- Regelung der minimalen Arbeits- und Lohnbedingungen von Arbeitskräften, welche von Unternehmen mit Sitz im Ausland in die Schweiz entsandt werden.
- Möglichkeit der erleichterten Einführung von Mindestlöhnen in Normalarbeitsverträgen im Falle von wiederholten missbräuchlichen Lohnunterbietungen.
- Erleichterte Allgemeinverbindlicherklärung von gesamtarbeitsvertraglichen Bestimmungen über Löhne und Arbeitszeit im Falle von wiederholten missbräuchlichen Lohnunterbietungen.
Im Hinblick auf die Ausdehnung der Freizügigkeit auf die neuen EU-Staaten sind die flankierenden Massnahmen zusätzlich verstärkt worden. Die geänderten Bestimmungen sind am 1. April 2006 in Kraft getreten. Die wichtigsten Punkte sind:
- Die Strafen gegen ausländische Arbeitgeber, die gegen schweizerische Gesetze verstossen, werden verschärft. Sie können leichter vom Schweizer Markt ausgeschlossen werden (bspw. wenn sie rechtskräftige Bussen nicht bezahlen oder die Auskunft verweigern).
- Die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen wird zusätzlich erleichtert.
- Präzisierung des Meldeverfahrens: Wichtige Aspekte des Arbeitsverhältnisses (wie der Lohn oder die Arbeitszeit) müssen den Arbeitnehmenden schriftlich mitgeteilt werden.
- Temporärangestellte werden besser geschützt (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Verleihbetrieben).
Selbständigerwerbende Dienstleistungserbringer
Selbständigerwerbende Dienstleistungserbringer unterstehen nicht den flankierenden Massnahmen. Seit dem 1. Januar 2013 sind sie jedoch verpflichtet, bei einer Kontrolle vor Ort die folgenden drei gesetzlich vorgeschriebenen Dokumente zum Nachweis ihrer Selbständigkeit vorzulegen:
- Kopie Meldebestätigung oder ausländerrechtliche Bewilligung
- Sozialversicherungsformular A1
- Kopie des Vertrags (Auftrag/Werkvertrag) mit dem Auftraggeber/Besteller oder, sofern kein schriftlicher Vertrag vorhanden ist, eine schriftliche Bestätigung des Auftraggebers/Bestellers für den in der Schweiz auszuführenden Auftrag/Werkvertrag in deutscher Sprache
Können die drei Dokumente nicht vorgelegt werden, drohen eine Busse bis zu CHF 5'000.00 und ein Verbot, die Arbeiten fortzuführen. Bei Zweifeln am Status als Selbständigerwerbender trotz Vorlage der drei Dokumente können weitere Unterlagen zum Nachweis der Selbständigkeit eingefordert werden. Der Begriff der Selbständigkeit bestimmt sich ausschliesslich nach schweizerischem Recht. Dienstleistungserbringer, die in ihrem Herkunftsland selbständig sind, können in der Schweiz als unselbständig eingestuft werden.
Kontrollen
Die Arbeitsmarktkontrolle führt im Auftrag der tripartiten Kommission und des Amtes für Wirtschaft und Arbeit Kontrollen der Lohn- und Arbeitsbedingungen durch. Die Kontrolltätigkeit konzentriert sich auf Fokusbranchen. Die Arbeitsmarktkontrolle rapportiert die Kontrollen, fordert bei Beanstandungen Unterlagen ein und meldet die Beanstandungen sodann mit den dazugehörenden Unterlagen den zuständigen Stellen.
Vollzugsstelle flankierende Massnahmen
Die Vollzugsstelle flankierende Massnahmen ist im Amt für Wirtschaft und Arbeit angesiedelt. Sie ist zuständig für zusätzliche Sanktionen in Branchen, in denen ein allgemeinverbindlich erklärter Gesamtarbeitsvertrag existiert. Gemäss Entsendegesetz müssen die Arbeitgeber mit Sitz im Ausland im Rahmen einer grenzüberschreitenden Dienstleistung in der Schweiz den von ihnen entsandten Arbeitnehmern unter anderem mindestens die Entlöhnung garantieren, die in allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen vorgeschrieben sind. Die zuständige kantonale Behörde kann auf Antrag der mit der Durchsetzung des Gesamtarbeitsvertrages betrauten paritätischen Organe bei geringfügigen Verstössen gegen die Vorschriften über die minimale Entlöhnung eine Verwaltungsbusse bis CHF 30'000.00 aussprechen. Bei Verstössen, die nicht als geringfügig eingestuft werden, kann dem Arbeitgeber verboten werden, während ein bis fünf Jahren in der Schweiz seine Dienste anzubieten. Weiter überprüft die Vollzugsstelle flankierende Massnahmen die Einhaltung der Vorschriften des Meldeverfahrens.
Geschäftsstelle tripartite Kommission
Die tripartite Kommission des Kantons Solothurn (KAP) besteht aus je 3 Vertretern von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen sowie des Kantons- und Einwohnergemeinden. Die Geschäftsstelle der Kommission ist im Amt für Wirtschaft und Arbeit angesiedelt. Die KAP ist zuständig für die Kontrolle von Lohn- und Arbeitsbedingungen in Branchen, in welchen kein allgemeinverbindlich erklärter Gesamtarbeitsvertrag existiert. Sie beurteilt die orts-, berufs- und branchenüblichen Lohnbedingungen, beobachtet den Arbeitsmarkt, klärt Einzelfälle ab und führt Verständigungsverfahren durch. Sofern sie feststellt, dass in einer Branche die orts-, berufs- und branchenüblichen Löhne wiederholt und in missbräuchlicher Weise unterboten werden, beantragt sie beim Regierungsrat den Erlass eines Normalarbeitsvertrages oder die Allgemeinverbindlicherklärung eines bereits bestehenden Gesamtarbeitsvertrages.